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Panorama: Das große Gartenfest

Nirgendwo fühlen sich Mensch und Eichhorn wohler als im Central Park. Jetzt wird er 150, und New York feiert

Die Chance steht 8967 zu eins, dass die grün lackierte Bank die Bank ist, auf der John Cusack und Dianne Wiest in Woody Allens Film „Bullets over Broadway“ gesessen haben. Sie sagt in der Szene, dass dies ihr Lieblingsort sei. Weil man von dort aus die Skyline Manhattans in der Ferne durch die Blätter der Bäume schimmern sehen kann.

So wie gerade eben. Die Touristin macht ein Foto, nimmt kurz Platz, streicht über das raue Holz. Welche Berühmtheiten hier wohl schon gesessen haben? Vielleicht Woody Allen, der hat es aus seinem Apartment am Central Park East nicht weit. Oder Donald Trump, bei einem kurzen Abstecher aus seinem Büro im 26. Stockwerk des Trump Towers am Südwesteingang des Parks.

Für 7500 Dollar könnte sogar der eigene Name auf der Bank stehen. So viel nämlich kostet die Adoption einer Parkbank bei der Organisation „Central Park Conservancy“, die seit 1980 die 340 Hektar Land verwaltet und pflegt. Die Sonderaktion mit den grünen Bänken läuft noch bis zum Herbst, anlässlich des 150. Geburtstags der Großstadtoase. Und der wird am heutigen Samstag in New York den ganzen Tag lang mit einer großen Party gefeiert: Ralleys, Marionettentheater und Geburtstagskuchen am Morgen und Ständchen der Tenöre Marcelo Alvarez und Salvatore Licitra am Abend. Dabei ist das Jubiläum eigentlich erst zwei Tage später.

Am 21. Juli 1853 erteilte der Staat New York die gesetzliche Bauanweisung für den Central Park, nachdem die Bewohner jahrzehntelang auf Friedhöfen ihre Erholung suchen mussten. Es war ein schlammiges, karges Areal, das für den neuen Park vorgesehen war, am damals nördlichen Stadtrand. 20 Jahre benötigten die 1858 mit dem Bau beauftragen Landschaftsarchitekten Frederick Law Olmsted und Calvert Vaux, um aus dem unfruchtbaren Boden ein blühendes Naturkunstwerk zu zaubern. Über vier Millionen Kubikmeter Erde ließen sie dafür umherkarren, pflanzten 217 952 Bäume, Büsche und Sträucher. Sie legten gewundene Pfade an, bauten geschwungene Brücken. Noch heute ist der Central Park für seine Mischung aus wilder und domestizierter Vegetation berühmt. Und für seine Artenvielfalt. Allein 275 verschiedene Vogelarten leben auf dem Areal zwischen 59. und 110. Straße: Stare, Spechte, Eichelhäher, aber auch Falken, Reiher und Kormorane. Besonders die unzähligen Eichhörnchen fühlen sich im Central Park wohl und springen fröhlich zwischen den Spaziergängern umher. Sie haben sich an den Anblick der Menschen gewöhnt. Schließlich strömen jedes Jahr bis zu 25 Millionen Besucher durch den Park. Auf der Suche nach Stille, zum Joggen, Radeln, Faulenzen und Flanieren. Und für jeden von ihnen gibt es seinen Platz.

New Yorks Sonnenanbeter und Picknickfreunde treffen sich auf den großen Liegewiesen, Literatur- und Pflanzenliebhaber in Shakespeare’s Garden. John-Lennon-Fans pilgern zu den Strawberry Fields, wo Yoko Ono ihrem 1980 ermordeten Mann eine Kultstätte errichtet hat. Über den Skate Circle im Parkzentrum sausen am Wochenende pirouettendrehende Inline-Skater zu Hip-Hop-Musik umher – und im Conservatory Garden hält der New Yorker um die Hand seiner Zukünftigen an.

Nicht immer war der Central Park ein so sicherer Ort. Nur mit Schaudern denkt man heute in Manhattan an die 60er und 70er Jahre zurück, als hier Drogendealer und Kriminelle die Szene kontrollierten. Der Park war heruntergekommen und verschmutzt. 1989 stand die Stadt unter Schock, als eine junge Joggerin brutal vergewaltigt und halbtot im Central Park gefunden wurde. In diesem Frühjahr, zu einem Zeitpunkt, an dem der Park wieder als einer der sichersten Orte der Stadt gilt und die Phase der Verwahrlosung vorbei ist, ist ihr Buch erschienen: „I am the Central Park Jogger“. Für die Sicherheit sorgten die New Yorker selbst, indem sie der Organisation „Central Park Conservancy“ 415 Millionen Dollar für die Restaurierung spendeten.

Da der Park ein Naturdenkmal ist, darf nichts verändert oder entfernt werden. Das gilt für die Angler am Harlem Meer, die ihren Fang sofort zurück in den See werfen müssen, was dazu führen soll, dass sie laufend dieselben Fische am Haken haben, und für die Passanten, die die Blumen in den Gärten zwar ansehen, nicht aber pflücken dürfen.

Bei Verstößen kann es Ärger geben. 1986 nahmen Polizisten den Natur-Freak Steve Brill fest, nachdem sie ihn auf frischer Tat dabei ertappt hatten, wie er Löwenzahn aus dem Gras riss und ihn sich dann genüsslich in den Mund schob. Steve Brill, der in New York auch unter dem Namen „Wildman“ bekannt ist, wurde allerdings freigesprochen. Seit 1981 ernährt sich „Wildman“ nur von dem, was er in der Natur findet: Nüsse, Gräser, Beeren, Pilze. Sein Wissen gibt der 54-Jährige auf geführten Touren durch den Central Park weiter. Im Sommer führen die beliebten „Wildman“-Touren grundsätzlich auch zum Delacorte Theater. Nicht wegen der Shakespeare-Stücke, die dort bei freiem Eintritt gezeigt werden – sondern wegen der saftigen, schwarzen Brombeeren, die dort wachsen.

Viola Volland

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