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Panorama: Das Leben ist nun einmal ordnungswidrig

Die Bewohner von Rio de Janeiro arrangieren sich mit dem täglichen Chaos - nicht nur im KarnevalVON CARL D.GOERDELER RIO.

Die Bewohner von Rio de Janeiro arrangieren sich mit dem täglichen Chaos - nicht nur im KarnevalVON CARL D.GOERDELER RIO.Rios "fünfte Jahreszeit" ist angebrochen - metereologisch macht sich das durch Hitzewellen und Wolkenbrüche bemerkbar, menschlich durch den Ausbruch der Narretei.Denn auch ohne Karneval ging es in den letzten Wochen schon ganz schön turbulent zu.Erst ersoff die "schönste Stadt der Welt" in Sturmgewittern, dann in Dunkelheit, und schließlich verschlug es den Telefonen vor so viel Ungemach die Sprache. Doch die Cariocas, die Bewohner von Rio, lassen sich durch derlei Dinge nicht die Lust zum Feiern nehmen.Daß einige Dutzend junger ausländischer Touristen unter den Augen des versteinerten Christus auf dem Corcovado-Berg in der Zahnradbahn überfallen wurden - das war, weiß Gott, schlecht für das ramponierte Ansehen der Stadt.Daß sich der Bürgermeister aber bei den Opfern höchst persönlich entschuldigte, Ersatz für die geraubten Sachen ankündigte und sich mit einem opulenten Churrasco revanchierte, hat die Wunden heilen lassen. Nun gut, der Airport ist abgebrannt.Andererseits handelt es sich ja nur um den kleinen Stadtflughafen für die Luftbrücke nach Sao Paulo.Und außerdem wird der Flugplatz schon wieder behelfsmäßig genutzt.Man muß halt improvisieren können, besonders im Karneval, wo zum täglichen Chaos noch das besondere kommt.Beispielsweise der Umstand, daß 100 000 Präservative, die während der tollen Tage kostenlos an die "bedürftige" Bevölkerung verteilt werden sollten, irgendwo verschwunden sind.Nur: Was soll ein Dieb allein mit so vielen Verhüterli anfangen? Heute beginnt der Marathon der Sambaschulen und Desfilees im "Sambodrome" - und damit der Wettlauf darum, wer in der größten Show der Welt das Rennen macht: Richtige Cariocas schwören nicht nur auf "ihren" Fußballklub, sondern auch auf "ihre" Sambaschule.Die Sambaschule "Unidos da Tijuca" wird diesmal bei den Feiern zum 100jährigen Jubiläum des Traditionsfußballvereins "Vasco da Gama" im Sambodrome dabei sein.Zu Recht: "Vasco" war der erste Fußballverein, der farbige Spieler zuließ - damals eine Revolution.Wie auch der Karneval auf der Straße, der einst als ordnungswidrig polizeilich untersagt war. Aber das Leben ist nun einmal ordnungswidrig, besonders im Karneval.Mit homerischem Gelächter erinnern sich die Cariocas immer noch an den letzten Staatspräsidenten, der in den Armen eines halbnackten Flittchens von den Fotografen auf der Tribüne überrascht wurde.Itamar Franco hat das nicht geschadet.Im Gegenteil, er kandidiert sogar wieder.Das soll ihm Bill Clinton ersteinmal nachmachen... Die neue Zeit hat inzwischen auch in Rio Einzug gehalten, reichere Sambaschulen sind schon per Homepage im Internet anzuklicken.Doch Karenval-Surfen ist kein Vergleich zum Körperkontakt auf der Piste.Da kann der Computer getrost bis zum Aschermittwoch warten.

CARL D.GOERDELER

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