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Panorama: Das neue Nationaltheater sieht aus wie ein "Pekingentenei" - Gelegt hat es auch noch ein Ausländer

Manche Pekinger reden nur abfällig vom "Entenei", für andere ist es ein Symbol für Pekings Aufstieg zu einer Weltmetropole: Nach jahrelangen Debatten haben die Arbeiten an dem ehrgeizigsten und umstrittensten Bauprojekts in der chinesischen Hauptstadt begonnen - dem Nationaltheater. 4000 Besucher soll der gigantische Kulturpalast einmal unterbringen - für die meisten Pekinger werden die Tickets jedoch zu teuer sein.

Manche Pekinger reden nur abfällig vom "Entenei", für andere ist es ein Symbol für Pekings Aufstieg zu einer Weltmetropole: Nach jahrelangen Debatten haben die Arbeiten an dem ehrgeizigsten und umstrittensten Bauprojekts in der chinesischen Hauptstadt begonnen - dem Nationaltheater. 4000 Besucher soll der gigantische Kulturpalast einmal unterbringen - für die meisten Pekinger werden die Tickets jedoch zu teuer sein.

Kaum ein Bauvorhaben war in China so umstritten. 1958 hatte der Altpremier Zhou Enlai erstmals die Idee, neben der Großen Halle des Volkes "ein Staatstheater als Symbol für die Nation" zu bauen. Doch Maos Revolutionäre hatten zunächst wichtigeres zu tun, als an die Kunst zu denken. Nach dem Große Sprung hungerte das Volk, dann kamen die Wirren der Kulturrevolution. Das Projekt geriet in Vergessenheit, auf dem nur wenige Schritte vom Platz des Himmlischen Friedens entfernten Gelände wucherte das Unkraut. Nach und nach bauten Pekinger Familie dort kleine Wohnhäuser aus Backsteinen und billige Nudelrestaurants. Erst mit dem Wirtschaftsboom der vergangenen Jahre tauchte die Idee vom Nationaltheater wieder auf. Ein Architekturwettbewerb wurde ausgeschrieben und im Sommer 1998 standen insgesamt 44 Designvorschläge zur Auswahl. Nach einer langen internen Debatte, bei der zum Schluss Staats- und Parteichef Jiang Zemin persönlich die Entscheidung gefällt haben soll, bekam schließlich der französische Stararchitekten Paul Andreu den Zuschlag.

Die Entscheidung sorgte gleich doppelt für Aufregung: Zum ersten Mal hatte Chinas Führung, die aus Nationalstolz Großprojekte bislang an einheimische Architekten vergab, einem Ausländer den Vorzug gegeben. Wütend protestierten manche chinesische Architekten gegen den "Ausverkauf der Nationalwürde". Ebenso umstritten jedoch ist der Entwurf an sich. Für viele Stadtbeamte, die zu einer Zeit aufwuchsen, als man in China den stalinistischen Weltmachtstil aus Russland kopierte, ist der Bau zu modern und zu gewagt. Eine Delegation aus der Provinz Hubei legte beim jährlichen Volkskongress im März sogar offiziell Protest ein. Der Bau störe die "Harmonie und das kulturelle Gefühl" des chinesischen Volkes.

Nach den Plänen Paul Andreus, der den berühmten "Grande Arche de la Defence" im Westen von Paris und den "Aeroports de Paris" entwarf, soll Chinas Nationaltheater als riesige Halbkugel aus Stahl und Glas aus einem künstlichen See herausragen. Unter einer Kuppe so groß wie ein halbes Fußballfeld soll bis 2003 eine Oper mit 2500, ein Theater mit 1200 sowie mehrere kleine Bühnen mit rund 500 Sitzplätzen entstehen. Um zu verhindern, dass die Kuppelspitze über die benachbarte Große Halle des Volkes ragt, wird der gesamte Bau 30 Meter in die Erde versenkt. Es wird das größte und teuerste öffentliche Gebäude in der Innenstadt seit 1977, als man für den toten Mao Tse-tung ein Mausoleum auf dem Tiananmen baute.

Viele Pekinger sind von dem Prestigeprojekt jedoch alles andere als begeistert. Angesichts der wachsenden Arbeitslosigkeit sind die umgerechnet 1,1 Milliarden Mark, die der Neubau kosten soll, für viele Geldverschwendung.

Harald Maass

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