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Frauen liegen am Strand des Helenesees in der Sonne.

© Patrick Pleul/dpa

Das Wetter: Der Mensch versteht die Sprache der Natur nie ganz

Das Wetter lässt sich nicht zähmen, nur besser berechnen als früher. Der Mensch ist ihm ausgeliefert - und doch bietet es ihm etwas Verbindendes. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Das Wetter ist doch verrückt geworden! Wenn es eine Person wäre, hätte bestimmt schon jemand seine Einweisung gefordert bei so vielen gewaltigen Ausschlägen. Erst Trockenheit, dann Starkregen. Diese blitzschnelle Verwandlung des Wetters in Unwetter. Das kann nicht normal sein.

Dazu noch diese Zahlen: Der Mai ist ähnlich warm wie der Rekord-Mai von 1889, und Berlin dabei das wärmste Bundesland. Nur, was normal ist und was nicht, bestimmt das Wetter einfach selbst. Und normal scheint gerade das Wechselhafte. Erinnert sich noch jemand an den vergangenen Sommer? Genau, an den, der keiner war?

Ein Theater in Hamburg hat das Wetter in einem gleichnamigen Stück auf die Bühne geholt. Mit Studio und echtem Meteorologen. Das Wetter kann ein Schauspiel sein, aber vor allem für die, die aus sicherer Entfernung zuschauen. Die „Hurrikan-Saison“ vor der amerikanischen Ostküste etwa soll in diesem Jahr etwas ruhiger werden. Beruhigend? Nein, denn es soll zwar weniger Stürme geben, aber dafür langfristig mehr mit größerer Zerstörungskraft.

Selbst in der gemäßigten Mitte Europas macht das Wetter deutlich, wie viel mehr an ihm hängt als morgendliche Auswahl vor dem Kleiderschrank, Gestaltung des Freizeitprogramms und die Laune. Menschen, die ohnehin auf Hilfe angewiesen sind, bekommen das besonders zu spüren. Wurde nicht eben noch für Obdachlose nach Spenden für Wintermäntel gefragt? Und jetzt dringend für T-Shirts. Hitze bringt gesundheitliche Gefahren mit sich. Regen und Stürme hinterlassen vollgelaufene Keller und zerstörte Häuser.

Unbezähmbar

Das Wetter lässt sich eben nicht zähmen, nur besser berechnen als früher. Der Deutsche Wetterdienst zieht in diesen Tagen seine letzten Wetterbeobachter von der Zugspitze ab – nach 120 Jahren. Der Computer ersetzt sie. Der menschliche Faktor bleibt am Ende der Kette erhalten. Wo sonst bei messbaren Dingen das Gefühl als trügerisch gilt, ist beim Wetter die gefühlte Temperatur eine anerkannte Größe.

Das Wetter ist keine Laune der Natur, eher ihre Sprache. Der Mensch versteht sie immer besser, aber eben doch nie ganz, weil immer wieder neue Wendungen dazukommen und noch lange nicht klar ist, was der Mensch selbst genau mit beeinflusst. Wie aussagekräftig sind schon knapp 140 Jahre Wetteraufzeichnungen?

So lässt das Wetter den Wunsch nach Planbarkeit genauso unerfüllt wie das Bedürfnis nach Sicherheit. Daran ändert auch der rasante Fortschritt nur teilweise etwas. In Zukunft autonom fahrende Autos werden zwar nicht auf funktionierende Scheibenwischer angewiesen sein und Fahren auf Sicht ist dann auch nicht mehr angezeigt, aber wenn die Straße verschneit oder überschwemmt ist, nützt auch das autonome Auto nichts.

Das Wetter lässt sich nie abschreiben, man kann sich ihm nicht entziehen. Es erinnert den Menschen immer wieder an die Natur um ihn herum. Das Ausgeliefertsein bringt jedoch eines mit sich: Mit seiner Kraft kann das Wetter die Menschen aus ihrem Alltag herausreißen, aus ihren gewohnten Abläufen, und darin liegt auch etwas Verbindendes. Im Kleinen als Gesprächsthema. Im Größeren als Austausch und gegenseitige Hilfe. Das macht die Aussichten auf jeden Fall freundlicher.

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