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Panorama: Der Bikini ist zurück!: Kein Versteck, nirgends - Das mag die Männer freuen, aber für die meisten Frauen ist es ein Drama in zwei Akten

In diesem Jahr ist der Bikini wieder in. Ach was, "in" ist gar kein Ausdruck!

Von Susanna Nieder

In diesem Jahr ist der Bikini wieder in. Ach was, "in" ist gar kein Ausdruck! Den Wickelbikini von Versace hat die Vogue zu nichts Geringerem als zum "Kultstück des Sommers" gekürt. Dieser Wickelbikini ist ein sonderbares Kleidungsstück, dessen Oberteil anstelle von Trägern zwei Stoffstreifen besitzt, die wahlweise zwischen den Brüsten geknotet, im Rücken gekreuzt und in der Taille locker gebunden oder aber überkreuz um den Hals geschlungen werden.

Vorbei sind die 90er, als der Bikini ein Dasein im Schatten des Einteilers fristete, in dem sich zumindest der Bauch blickdicht verstauen lässt. Jetzt, wo wir zehn Jahre älter sind, soll er wieder frei gelegt werden. Die Bilder von 20-jährigen, flachbäuchigen Nymphen, die sich in perlenbestickten, beunruhigend großmaschig gehäkelten, aus einem Minimum an Stoff hergestellten Bikinis im Sande räkeln, löst bei der Betrachterin reiferen Alters (also über 30) ein schleichendes Unbehagen aus. Es gibt kein Kleidungsstück, das mit größerer Zielsicherheit einen normalen Frauenkörper in eine Ansammlung von "Problemzonen" verwandelt.

Wer partout nicht wickeln mag und auf Trägern besteht, kann zwar auch andere Varianten bekommen. Aber wohin mit dem Hinterteil? Der Hosenbund ist wieder in Richtung Hüfte gerutscht, was bedeutet, dass ein schmales Höschen bei mit Kurven ausgestatteten Frauen genau in die unvorteilhafte Kerbe zwischen Hüfte und Oberschenkel schneidet. Es gibt zwar auch Höschen mit Beinansatz, aber wo sich ein Bauch wölbt, sehen diese eher nach Omas Schlüpfer aus. Immerhin ersparen sie der Trägerin die nervtötende Rasur der "Bikinizone".

Der Bikini ist ein Ergebnis tiefgreifender sozialer Veränderungen. Zwei Mal fand im letzten Jahrhundert eine gesellschaftliche Revolution statt, bei der Frauen von lästigen Hüllen befreit wurden. Ab der Einführung des Schwimmens als erste olympische Frauendisziplin 1912 mussten diese nicht mehr in langen Gewändern baden; mit der wachsenden Sportbegeisterung nach dem Ersten Weltkrieg kamen androgyne Körperformen in Mode. Etwas Vergleichbares passierte in den 60ern, als die letzten Stützkonstruktionen über Bord gingen, um von Bodies und unverstärkten BHs ersetzt oder ganz weggelassen zu werden. Und wieder wich das Ideal des kurvenreichen Frauenkörpers dem kindlich flacher, fast knabenhafter Formen.

Es war mit Sicherheit ein Befreiungsschlag, als die letzten Fischbeinpanzer verschwanden. Nur ist damit ein neues Problem aufgetaucht, denn beim halb nackten Körper lässt sich nun mal weniger schummeln als beim bedeckten. Körper dürfen heute gezeigt werden - aber werden sie auch als vorzeigbar empfunden? In diesem Sommer hat einerseits die Frau mit flachem Bauch, aber kugelrundem Busen Konjunktur. Andererseits setzt sich der Trend zum Mageren fort, obwohl es dünner als bisher nicht mehr geht. Das britische Trendmagazin i-D verhielt sich nur konsequent, als es in seiner Juniausgabe für eine Dessous-Bildstrecke gleich einen ausgemergelten jungen Mann in String-Tangas und halterlose Strümpfe steckte - wenn flach, dann richtig. Über die Stelle, die beim Mann ausgebeult ist, wurde diskret hinweg fotografiert.

Wer diesen Schönheitsdealen wirklich entsprechen will, muss Diät halten und Fitness treiben. Wenn das nichts hilft, reißt es vielleicht ein Kosmetikprodukt wie "Haute Tenure" von YSL heraus, das die Brust straffer machen soll: "Nach einem Monat lässt sich der Abstand zwischen Brustwarze und Brustbein um bis zu einen Zentimeter verringern", meldet die Vogue. Die vorletzte Möglichkeit, die Brüste in die modische Kugelform zu bringen, ist der Wonderbra. Danach bleibt nur doch die plastische Chirurgie, von Stars wie Melanie Griffith oder Cher bekanntlich oft und gerne zur Erhöhung des Marktwertes genutzt. Allerdings - kein Trend ohne Gegenbewegung. Das blonde Gift Pamela Anderson hat sich die Silikonimplantate schon wieder entfernen lassen.

Und was macht die Frau mit Kleidergröße 40 und aufwärts? Entweder sie steigt in voller Montur ins Wasser wie Königin Viktoria. Oder sie geht ganz nackt. In beiden Fällen sieht sie besser aus als im Bikini.

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