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Panorama: Der deutsche Astronaut Gerhard Thiele startet am Montag ins All - Präzises Bild der Erde soll auch militärischen Zwecken dienen

Unter den Sehenden ist der Zweiäugige König. Doch wenn die beiden Augen 60 Meter auseinander liegen, scheinen sie unsereins zu wenig nütze.

Unter den Sehenden ist der Zweiäugige König. Doch wenn die beiden Augen 60 Meter auseinander liegen, scheinen sie unsereins zu wenig nütze. Allenfalls ein König der Lüfte könnte von zwei derart unterschiedlichen Blickwinkeln profitieren, um sie zu einem dreidimensionalen Bild der unter ihm sich erstreckenden Landschaft zusammenzusetzen.

Der Space Shuttle, der vom kommenden Montag an die Erde umkreisen soll, hat zwei solche Augen: Radaraugen. Ihr Blick reicht extrem weit. Sie durchdringen zudem die nächtliche Dunkelheit und jede Wolkendecke, was eine solche Optik seit den 30er Jahren vor allem für militärische Zwecke interessant macht.

Kein Wunder also, dass die amerikanische Kartierungsbehörde Nima (National imagery and mapping agency), die dem US-Verteidigungsministerium möglichst präzise digitale Karten zur Verfügung stellt, die Mission des Space Shuttle mit 200 Millionen Dollar maßgeblich unterstützt. Mit Hilfe der Radarbilder lässt sich unter Umständen die Zielsicherheit von Marschflugkörpern erhöhen. Denn von dem elftägigen Flug verspricht man sich eine außerordentlich genaue, dreidimensionale Ansicht aller Länder zwischen dem 60. Grad nördlicher und dem 56. Grad südlicher Breite.

Die Radaraufnahmen sollen aber auch zivilen Zwecken dienen. Für die Geowissenschaften sei eine derartige digitale Höhenkarte ebenso nützlich wie für die Klimaforschung, die Wasserwirtschaft oder die Navigation, hebt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hervor. Es ist neben der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa und Partnern aus Italien mit einem High-Tech-Sensor an dem Projekt beteiligt. Mit dem 46-jährigen Astronauten Gerhard Thiele gehört zudem ein Deutscher zur sechsköpfigen Besatzung des Space Shuttle. Die Astronauten bilden zwei Teams, die täglich zwölf Stunden lang im Einsatz sind, um beispielsweise die Datenaufzeichnung oder die Flugroute zu überwachen.

Für die genaue Vermessung der Erde haben sich Raumfahrtingenieure einiges einfallen lassen. Der Shuttle wendet der Erde während der Messungen seinen Rücken zu (siehe Abbildung). Die geöffnete Ladebucht gibt dann dem ersten Auge, dem zwölf Meter langen Hauptradar, den Blick auf den Globus frei.

Diese Rücklage ist für den Shuttle bei einem Flug in 230 Kilometern Höhe nichts Ungewöhnliches. Denn in dieser Position schützt der auf der Unterseite angebrachte Hitzeschild den Shuttle vor einer zu starken Sonneneinstrahlung. Zudem sei unten im Shuttle auch gar nicht genug Platz für die Antenne und anderes Equipment, sagt Vanadis Weber, Pressesprecherin beim DLR.

Ungewöhnlich ist jedoch die Lage der zweiten Radarantenne, durch die die bislang einäugigen Radarflüge nun zu Stereomessungen avancieren sollen. Die Antenne ist während des Starts noch in einem Behälter verstaut und wird dann nach Erreichen der Umlaufbahn innerhalb weniger Minuten an einem 60 Meter langen Mast ausgefahren und ausgeklappt.

Der Mast muss für die exakten Messungen vollkommen steif und stabil sein. Er wurde dazu aus Karbonfasersegmenten gebaut und mit Titanseilen abgespannt. Kleinste Schwankungen des Mastes während des Fluges müssen registriert und bei der Verarbeitung der Daten berücksichtigt werden. Sollte der Mast beim Ein- oder Ausfahren klemmen, müssten Gerhard Thiele und seine Astronautenkollegen das Raumfahrzeug möglicherweise zu Reparaturarbeiten kurzzeitig verlassen.

Die gesamte Flugdauer über sendet das Hauptradargerät Mikrowellen aus: 1700 Signale in jeder Sekunde. Beide Radargeräte fangen dann das Echo ein, nachdem die Signale an der Erdoberfläche reflektiert wurden. Die ungeheure Datenflut von 270 Millionen Bits pro Sekunde kann allerdings erst nach der Landung vollständig analysiert werden. Die komplette Auswertung wird voraussichtlich rund zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Der Wissenschaft wird allerdings auch dann nicht der gesamte Datensatz zur Verfügung stehen, um etwa Überschwemmungsgebiete von Flüssen zu erfassen oder die Ausbreitung der Vegetation zu verfolgen. Einen Teil der genauen Kartierung halten die Amerikaner aus militärischen Gründen geheim.

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