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Panorama: Der Doktor weiß es besser

Erfolgsautor Michael Crichton erklärt den Treibhauseffekt zur Erfindung von Umweltterroristen

Wahrscheinlich sind die Räuber schuld. Vor etwas mehr als zwei Jahren überfielen sie den Erfolgsautor Michael Crichton und seine Tochter in dessen Haus in Los Angeles mit gezogener Waffe. Damals sei ihm aufgegangen, dass er sich über so viele Sachen in der Welt Sorgen gemacht habe – nur nicht über jene, die eine wirkliche Bedrohung sind, sagt Crichton heute. Seine Reaktion auf das Erlebnis: Er setzte sich hin und schrieb ein Buch. Nicht über die kriminellen Schattenseiten der amerikanischen Gesellschaft, sondern über eine seiner Meinung nach von Medien und Wissenschaftlern künstlich aufgebaute Angst: die vor der Klimakatastrophe.

In seinem Buch „State of Fear“, das pünktlich zur Eröffnung des UN-Klimagipfels in Buenos Aires erschien und in Deutschland im Januar unter dem Titel „Welt in Angst"“ erscheinen wird, kreiert der Autor von „Jurassic Park“ ein wildes Szenario: Eine Umweltorganisation namens NERF (National Environmental Resource Fund) leidet unter zurückgehenden Spendeneinnahmen und nachlassender öffentlicher Aufmerksamkeit. Als sich der pazifische Inselstaat Vanutu entschließt, gegen die USA zu klagen, weil er den baldigen Untergang durch das Ansteigen des Meeresspiegels befürchtet, sieht der NERF seine Chance gekommen, um im Kampf um Spenden und Publicity Boden zurückzugewinnen.

Doch leider geben die wissenschaftlichen Daten keinen wirklichen Beweis für den Zusammenhang zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen, Erderwärmung und bevorstehender Klimakatastrophe her, schreibt Crichton. Also greifen seine Umweltaktivisten zur Selbsthilfe: In der Antarktis versuchen sie, durch eine Reihensprengung einen Gletscher zum Kalben zu bringen. In den USA provozieren sie künstliche Unwetter, mit einem Seebeben wollen sie eine Flutwelle auslösen. Das Werk der Retro-Ökoterroristen könnte man als amüsante Satire abtun – würde Crichton nicht darauf bestehen, dass seine Prämisse wahr sei, der Treibhauseffekt sei ein ohne jede wissenschaftliche Grundlage künstlich aufgeblasenes Phantom.

„Es gibt viele Gruppen in der augenblicklichen Gesellschaft, in deren Interesse es liegt, diese Ängste zu schüren“, sagt Crichton in einem Interview mit der „New York Times“, „eine freie Gesellschaft und eine freie Presse haben eine Menge gute Eigenschaften. Aber uns eine ehrliche Sicht auf die Welt zu geben, gehört nicht dazu.“ Sein Buch nutzt er deshalb für kleine Lektionen zum Thema Klimaveränderungen. Es ist gespickt mit Fußnoten, der Anhang mit Literaturverweisen umfasst 20 Seiten. Und in seinem Nachwort räumt er gleich noch mit anderen angeblichen Lügen auf. Die Knappheit von fossilen Brennstoffen? Kein Problem, es wird eine technische Lösung geben. Bevölkerungsexplosion? In Wirklichkeit gingen die Geburtenraten zurück. Krebs durch Stromleitungen? Das sei nur ein Witz.

Der studierte Mediziner Crichton weiß das alles besser: Sein Szenario liest sich wie die Antithese zu dem im Frühjahr dieses Jahres erschienenen Hollywood-Schocker „The Day after Tomorrow“, in dem Roland Emmerich New York im Klimachaos versinken lässt. Oder wie eine Presseerklärung der Regierung von Präsident George W. Bush, die seit vier Jahren den Treibhauseffekt für nicht-existent erklärt und sich weigert, das Klimaschutzprotokoll von Kyoto zu ratifizieren – entgegen allen Warnungen auch aus den eigenen Reihen übrigens. So hatte noch im Frühjahr eine Untersuchung der CIA die Folgen des Klimawandels in düstersten Farben ausgemalt. Demnach drohen Nordeuropa sibirische Verhältnisse innerhalb der nächsten 20 Jahre und die Welt verfällt im Kampf um die schnell schrumpfenden Ressourcen in ein Chaos von Aufständen und Kriegen. Auch die Klimaforscher der NASA meldeten sich wiederholt zu Wort, weil das Weiße Haus versuchte, kritische Studien zu unterdrücken. Nasa-Forscher James E. Hansen beschuldigt Crichton jetzt, genau das zu tun, was der den Warnern aus Wissenschaft und Politik vorwerfe: Sich aus einer riesigen Flut von Studien jene rauszusuchen, die zu seiner Story passen. So sagt ein Charakter in Crichtons Buch, Hansens Prognosen von 1988 hätten sich als zu „300 Prozent falsch“ erwiesen. Dabei bezieht sich der Autor aber nur auf eine von drei Varianten, die Hansen damals durchspielte – auf die extremste. Die gemäßigte Variante jedoch trat inzwischen ziemlich genau so ein, wie sie der Nasa-Mann vorhergesagt hatte.

Auch literarisch kriegt Crichton sein Fett ab. Der Kritiker der „New York Times“ mäkelt: „Seine Charaktere kommen praktisch mit Notizzetteln auf der Stirn klebend daher, auf denen steht: ,guter Mensch’, ,böser Mensch’.“ Crichton kann das egal sein. Beim Online-Buchhändler Amazon schnellte sein „State of Fear“ in der ersten Woche von null auf Platz zwei in der Verkaufsrangliste.

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