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Michelle

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Der Fall Michelle: Eine Stadt sucht einen Mörder

Bei der Suche nach dem Mörder hat die Feuerwehr mit dem Abpumpen des Teichs begonnen, in dem die Leiche des Mädchen gefunden wurde. 180 Spezialisten in Leipzig fahnden nach dem Täter, während die Stadt trauert.

Leipzig - Am Tag nach dem Fund der ermordeten achtjährigen Michelle in Leipzig herrscht Trauer und große Anteilnahme in Leipzig. An der Schule versammelten sich im Laufe des Tages immer wieder Menschen, darunter Eltern anderer Kinder und Mitschüler von Michelle. Sie entzündeten Kerzen und legten Blumen, Dutzende Plüschtiere sowie handgemalte kleine Briefe ab. Darin hieß es: „Michelle, wir vermissen dich“ und „Wir trauern um Michelle“. In die Trauer mischte sich auch Wut. „An alle, die unseren Kindern das antun: Fahrt zur Hölle!“, stand auf einem anderen Zettel. Eine Mutter sagte, ihre Kinder und sie hätten Michelle gekannt. „Ich kann es noch gar nicht fassen. Wer tut so etwas?“

Wie unter Schock standen auch Lehrer und Erzieher von Michelles Grundschule. Roman Schulz, Sprecher der zuständigen Schulbehörde, sagte, die Kollegen seien tief bewegt und bestürzt und hätten kaum Worte gefunden. „Unser aller Mitgefühl gilt den Eltern, der Familie“, sagte er. An der Schule selbst sollen am Montag, dem ersten Tag nach den Ferien, mehrere Psychologen zur Verfügung stehen. An normalen Unterricht sei nicht zu denken, sagte der Sprecher. Über die schrecklichen Ereignisse solle in den Klassen in kindgemäßer Form gesprochen werden. Die Pädagogen und Psychologen würden so versuchen, mögliche traumatische Reaktionen zu verhindern und die Schüler in der Trauerarbeit zu begleiten.

Die Einschulungsveranstaltung an diesem Samstag wurde entgegen ersten Erwägungen doch nicht abgesagt. „Es werden aber sicherlich keine fröhlichen Lieder erklingen“, sagte Schulz. Geplant sei eine Schweigeminute.

Die Eltern von Michelle, die zwei weitere Kinder haben, werden von der Polizei weiterhin abgeschirmt und von Kräften eines Kriseninterventionsteams betreut. Die Familie befinde sich derzeit nicht in Leipzig, hieß es.

„Ich bin in Gedanken bei den Eltern und bei der Familie“, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich in Dresden. „Es wird jetzt alles getan, um des Täters habhaft zu werden.“ Die Verunsicherung in Leipzig müsse schnell beendet werden. Michelle war am Montagnachmittag auf dem Heimweg von der Ferienbetreuung in ihrer Schule verschwunden – nur wenige hundert Meter von der Wohnung ihrer Familie entfernt. Der Teich, in dem die Leiche gefunden wurde, liegt rund einen Kilometer weiter entfernt. Einzelheiten zur Tat hält die Polizei aus taktischen Gründen zurück.

Bei der Suche nach dem Mörder hat die Feuerwehr mit dem Abpumpen des Teichs begonnen, in dem die Leiche des Mädchen gefunden wurde. Danach sollten erneut Spezialisten der Kriminalpolizei den Fundort untersuchen.

Die Sonderkommission wurde auf 180 Beamte aufgestockt und arbeitet unter Hochdruck. Eine Sprecherin sagte: „Wir setzen alles daran, den Mörder so schnell wie möglich zu fassen.“ Es gelte jetzt kriminalistische Feinarbeit zu leisten. Mehrere sogenannte Profiler sind damit beschäftigt, ein möglichst konkretes Bild des Mörders zu erstellen. „Die Frage ist: Was ist das für ein Mensch? Welche Bildung hat er genossen, in welchem Umfeld lebt er?“, erläuterte Polizeisprecherin Jana Kindt.

Je weniger der Täter wisse, welche Informationen die Ermittler bisher haben, umso eher würde er einen Fehler machen, erklärte ein Beamter die Strategie. Die Polizei teilte daher auch nicht mit, ob bei der Tat sexueller Missbrauch eine Rolle gespielt hatte. Offen blieb zudem, wann und wie Michelle getötet wurde. Die Soko „Michelle“ bestehe aus erfahrenen Polizisten und Kriminalbeamten aus ganz Sachsen, hieß es. Die Sonderkommission ist die größte in Sachsen seit der Wiedervereinigung. „Sicherlich werden wir auch von den Erfahrungen aus dem Fall ,Mitja’ profitieren“, sagte Polizeisprecherin Kindt. Der Mörder des Jungen war 2007 gefasst worden, weil die Polizei entscheidende Hinweise auf einem Video aus einer Straßenbahn fand.

Die Sprecherin sagte, im Zuge der Ermittlungen werde auch die Überprüfung von Sexualstraftätern fortgesetzt, die in der Gegend gemeldet sind. Zudem gehe die Sichtung von Material aus dem Überwachungssystem des Leipziger Nahverkehrs ohne Pause weiter. Allein dafür seien acht Beamte abgestellt worden. Angesichts des großen Verfolgsdrucks schließt die Polizei nicht aus, dass sich der Mörder selbst stellt. „Wir kriegen ihn so oder so, es ist nur eine Frage der Zeit“, sagte die Sprecherin. Ob Michelle Opfer eines Sexualverbrechens geworden ist, ließ die Polizei indes weiter offen. Die Leiche wurde obduziert.

Unklar ist, ob Michelle auf dem Heimweg in ein Auto eingestiegen ist und ob sie ihren Mörder möglicherweise kannte. Bei den Ermittlungen spielt nach wie vor der Hinweis einer Mitschülerin eine Rolle, die das Mädchen ein kurzes Stück auf dem Heimweg begleitet hatte.

Bei der Verabschiedung soll Michelle erklärt haben, sie gehe noch zu „L“. Laut Polizei haben entsprechende Personenüberprüfungen bislang nichts erbracht. „Wir haben die Aussage aber weiter im Hinterkopf“, sagte ein Ermittler. Denkbar sei auch, dass es sich um einen bestimmten Ort handele. Tsp/dpa/AFP

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