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Panorama: Der Mord und der Fall

Der Tod des kleinen Jakob, die Folterdrohung, das Urteil – und was aus dem Polizeiführer wurde

Es ist einer der spektakulärsten Fälle der deutschen Justizgeschichte. Darf die Polizei einem gefassten Entführer mit Folter drohen, um das Leben des Jungen zu retten? Die Entführung des elfjährigen Bankierssohnes Jakob von Metzler im Herbst 2002 machte Schlagzeilen wie kaum ein anderes Verbrechen. Der Täter Magnus Gäfgen war ein Bekannter der Familie und hatte den arglosen Jungen, der in seinem späteren Mörder einen Freund wähnte, unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt. Gäfgen wollte Geld erpressen, Geld, mit dem er seinen aufwändigen Lebensstil finanzieren wollte. Kaltblütig brachte er den kleinen Jungen um. Als die Polizei ihn bei der Geldübergabe fasste, gab er vor, Jakob lebe noch. Daraufhin kam es zu einem in der Bundesrepublik beispiellosen Vorgang.

Der Vizepolizeipräsident von Frankfurt, Wolfgang Daschner, ordnete gegen die schweren Bedenken seiner Kollegen an, dass dem Entführer massive Gewalt zugefügt werde, sollte er den Ort nicht bekannt geben, an dem sich der kleine Jakob befindet. Daschner sah sich im Wettlauf mit der Zeit, den Jungen noch retten zu können.

Unter der massiven Bedrohung führte Gäfgen die Beamten zu dem längst getöteten Bub. Daschner fertigte über seine angeordnete Gewaltdrohung einen geheimen Vermerk an. Als der Tagesspiegel den Inhalt dieses Geheimvermerks veröffentlichte, wurde eine ethische und juristische Debatte losgetreten, ob Folter und ihre Androhung unter bestimmten Umständen legitim sein können. Philosophen äußerten sich dazu, vor allem aber Juristen. Zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik wurde in juristischen Fachzeitschriften die Absolutheit des Folterverbots im Grundgesetz angezweifelt.

Magnus Gäfgen wurde am 28. Juli 2003, zehn Monate nach der Tat, wegen Entführung und Ermordung Jakob von Metzlers zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht erkannte auf eine besondere Schwere der Schuld. Diese Feststellung wird bei besonders schlimmen Verbrechen ausgesprochen und führt zu einer erheblich längeren Haftzeit. Ein Revisionsantrag Gäfgens wurde vom Bundesgerichtshof als „offensichtlich unbegründet“ verworfen, das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht an.

Wolfgang Daschner kam milde davon. Das Landgericht Frankfurt verurteilte ihn wegen Nötigung zu einer Geldstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die disziplinarrechtlichen Ermittlungen wurden eingestellt. Er kehrte aber nicht auf seinen Posten zurück, sondern fiel nach oben. Er wurde Präsidiumschef. os

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