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Panorama: Der Schwulenhasser als Callboy

Der Fall Jeff Gannon erschüttert das Pressecorps des Weißen Hauses

Sie haben Jeff Gannon nie gemocht, die Kollegen im Pressecorps des Weißen Hauses in Washington. Im Gegensatz zur Regierung. Auf Jeff Gannon konnte sich George Bushs Sprecher Scott McClellan verlassen. Wenn er dem konservativen Republikaner-Freund das Wort erteilte, stimmte dieser gerne Loblieder auf den Präsidenten und seine Politik an, notdürftig in eine Frage verpackt. Zwei Jahre ging das so, jetzt hat sich Jeff Gannon, der eigentlich James Dale Guckert heißt, ins Privatleben verabschiedet. Als Hauptfigur eines Skandals, der die Journalisten der Hauptstadt in Aufruhr versetzt.

Was allerdings genau der Skandal an der Geschichte ist, wird zurzeit in den amerikanischen Medien noch diskutiert. Ist es die Tatsache, dass ein Reporter der beiden Internetseiten talonnews.com und gopusa.com, betrieben vom texanischen Republikaner-Delegierten Bobby Eberle, Zugang zu den Pressekonferenzen des Weißen Hauses hatte? Dass das Weiße Haus Jeff Gannons richtigen Namen kannte und ihn möglicherweise gerne als Propaganda-Instrument in den Reihen der überwiegend liberalen Journalisten sah? Oder ist es Gannons Vergangenheit, in der er als schwuler Callboy im Internet seine Dienste anbot?

Doch der Reihe nach. Am 26. Januar stellte Gannon George Bush bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus eine seiner berüchtigten Fragen. Wie der Präsident, der zuvor angekündigt hatte, mit der Opposition kooperieren zu wollen, denn mit Leuten zusammen arbeiten wolle, „die sich komplett von der Realität verabschiedet haben“, zitiert der Medienreporter Howard Kurtz von der „Washington Post“ den Online-Kollegen. Der hatte zuvor nie einen Hehl daraus gemacht, der Regierung nahe zu stehen. Doch diesmal stürzten sich liberale Weblogger auf Gannon.

John Aravosis, Betreiber von americablog.org, enthüllte, dass der richtige Name des Bush-Fans James Dale Guckert ist. Einmal in Schwung gekommen, deckten die Blogger auch gleich noch auf, dass Guckert alias Gannon auf mehreren Websites einen Eskort-Service für Homosexuelle anbot. Nach Aussagen eines Web-Designers, auf den sich die „Washington Post“ beruft, soll Gannon mit eindeutigen Fotos und unter dem Pseudonym „Bulldog“ auch selbst seine Dienste für 200 Dollar die Stunde angeboten haben. Pikant: Blogger wollen frühere Äußerungen Gannons gefunden haben, die ihn als Schwulenfeind entlarven. So habe er unter anderem in Kommentaren die Debatte zur Legalisierung der Homo-Ehe als „juristische Zustimmung zur Sodomie“ verurteilt.

„Ich habe Fehler in meiner Vergangenheit gemacht“, sagte Gannon jetzt der „Washington Post“. „Aber bedeutet das, dass ich keine Zukunft haben kann? Disqualifiziert mich das als Journalist?“ Seinen Namen habe er nicht geändert, um seine Vergangenheit zu verheimlichen, sondern weil er schwierig zu buchstabieren sei. Den liberalen Kritikern wirft er vor, ihre eigenen Prinzipien wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Unangreifbarkeit der Privatssphäre aufzugeben, um ihn als Heuchler darzustellen. Gannon mache sich der Doppelmoral schuldig, die die gesamte konservative Familie betreffe, kontert Blogger Aravosis, selbst homosexueller Aktivist.

Das Weiße Haus muss sich unterdessen fragen lassen, warum ein Reporter, dem seit Jahren eine Presseakkreditierung für den US-Senat verwehrt blieb, für den Sitz des Präsidenten zugelassen wurde.

Sprecher Scott McClellan hat eingestanden, seit einiger Zeit über den tatsächlichen Namen Gannons informiert gewesen zu sein, ihn aber weiterhin mit seinem Pseudonym angesprochen zu haben. Pseudonyme seien bei Autoren und Journalisten schließlich nichts Besonderes. Genauso sei es normal, dass Mitglieder des Pressecorps ihre politische Meinung äußerten, sagte McClellan „Cox News“. Dass man mit Gannon bewusst einen handzahmen Fragesteller zugelassen habe, stritt er ab. Auch Gannon bezeichnete die Vorwürfe einer bevorzugten Behandlung durch das Weiße Haus als „absolut, komplett, völlig unwahr“.

Trotzdem wollen demokratische Abgeordnete nun wissen, wie Gannon es ins Weiße Haus geschafft hat. Der Protagonist der Geschichte schweigt vorerst. „Jeff Gannon. A voice of the new media“, heißt es auf seiner Internetseite. Und weiter: „The voice goes silent.“

Philipp Wittrock

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