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Panorama: Der stille Amerikaner

Mit Hundeblick und Understatement: Der Schauspieler Bill Murray erlebt seinen zweiten Karrierefrühling

Wenn die Leute schon dann mit dem Lachen anfangen, wenn ein Komiker nur die Bühne betritt, und noch überhaupt nichts gemacht hat, wird es gefährlich. Dann hat er es, könnte man sagen, geschafft, hat den Gipfel erreicht, und in der kollektiven Fantasie einen so festen Platz gefunden, dass ihn alle mögen, alle lustig finden, seine Komik alle verstehen. Glauben sie zumindest. Aber nie war er dann auch näher dran an der Masche, die nichts Neues mehr zulässt.

Mit 55 Jahren hat Bill Murray jetzt genau dieses Stadium erreicht. Man muss ihn nur sehen, in seinem neuen Film, Jim Jarmushs „Broken Flowers“: Wie er da einfach guckt, einfach herumsteht, nichts mehr sagt, sondern nur noch ist. Bill Murray, denkt man dann, hat das Understatement erfunden, und den Hundeblick. Und er ist in seiner einmalig irritierten Mischung aus Verständnislosigkeit und Nachsicht zum Brüllen komisch.

„Was ich an der Schauspielerei besonders mag“, sagt Murray, „ist, dass ich darin, auf merkwürdige Weise, zu mir selber finde.“ In Jarmushs neuer Komödie spielt Murray einen Menschen, der Don Johnston heißt, und mehr als einmal wird er in diesem Film seinen Namen korrigieren, und nachsichtig lächeln, wenn ihn wieder einer darauf anspricht, dass dies ja fast wie „Don Johnson“ klingt. Dieser Don Johnston ist ein Mann, den die Frauen lieben – und ein bisschen, denkt man, hat auch Bill Murrays Erfolg mit den vielen Frauen zu tun, die ihn im Kino umgeben: im neuen Film sind das – unter anderem – Julie Delpy, die seine Freundin spielt, und Sharon Stone und Jessica Lange und Tilda Swinton, die alle seine Ex-Freundinnen spielen.

Vor allem aber war es Scarlett Johansson, mit der er zusammen in „Lost in Translation“ vor der Leinwand stand – dem Film, für den Murray nicht nur den längst verdienten Oscar gewann, sondern mit dem er überhaupt jetzt so etwas wie einen zweiten Karrierefrühling erlebt. Es ist kaum zu glauben, aber von den beiden großen Erfolgen mit „Ghostbusters“ (1984) und „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (1993) abgesehen, war Murray, der als schwierig und unnahbar gilt, obwohl er vielleicht nur professioneller und anspruchsvoller ist als viele, lange Zeit eher ein Mann für bessere Nebenrollen. Manche gehören zu seinen besten Auftritten, etwa die des zerstreuten Pedanten Polonius in Michael Almereydas „Hamlet“-Verfilmung von 1999 oder sein Auftritt als gutmütiger Mafiaboss in John McNaughtons „Mad Dog and Glory“ (1993).

Vielen dieser Auftritte kann man ansehen, dass Murray auch im richtigen Leben eine große Diva und ein Eigenbrötler ist. Wegen seiner Besserwisserei hat er sogar einmal eine Ohrfeige bekommen – von Lucy Liu am Set von „Charlies Angels“. Murray ist ein notorischer Zuspätkommer und lebt extrem zurückgezogen. Als ihm Sofia Coppola die Rolle in „Lost in Translation“ anbieten wollte, die sie eigens für ihn geschrieben hatte, musste sie ihm über ein halbes Jahr hinterhertelefonieren, bevor er sich endlich zu einem Treffen bereitfand.

Jetzt ist Bill Murray in dem Stadium, wo er nichts mehr falsch machen kann. Wo sein zerknittertes Gesicht für sich selbst steht, wo das Publikum alles in seine blauen Augen projiziert und nicht mehr nur denkt, dass hier einer aber etwas nichtssagend guckt. Er ist einfach cool, und dabei ist Murrays Coolness nicht die Coolness des „Rat Pack“, das er in denen Szenen der Whiskey-Reklame in „Lost in Translation“ so großartig imitierte. Es ist die melancholische Coolness eines Verlierers. Murray ist dann am besten, wenn er Scheiternde spielt. Darum verkörpert er, der kaum zufällig in New York lebt und nie auf den Gedanken käme, nach Hollywood zu ziehen, auch so etwas wie das andere Gesicht der USA: nicht laut auftrumpfend, sondern leise und selbstironisch.

Vom Gipfel aus, denkt man, kann es nur noch bergab gehen. Man kann aber auch einfach oben bleiben.

Rüdiger Suchsland

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