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Monsieur le Commissaire. Michel Neyret bei einem Einsatz in Lyon.

© AFP

Der Superflic: Französischer Kriminalpolizist im Gefängnis

Drogengeschenke an Informanten und enge Verbindungen zum Milieu. Wie der stellvertretende Chef der Kriminalpolizei in Lyon seine eigene Legende zerstörte.

Ein Kommissar, ein Flic, wie aus einem französischen Kriminalfilm. Gut geschnittener dunkler Anzug, offenes weißes Hemd, Goldkettchen am Handgelenk, dichte schwarze Haare bis in die Stirn, am Kinn einen Drei-Tage-Bart und in den Augen ein zwinkerndes Lächeln. So kennt die Öffentlichkeit Michel Neyret, den stellvertretenden Chef der Lyoner Kriminalpolizei.

Doch nun scheint die Legende, die die Medien um den von seinen Kollegen als „Ikone“ („Le Monde“) verehrten 55-jährigen Beamten verbreiteten, um ein neues, diesmal dunkles Kapitel bereichert zu sein. Seit Anfang der Woche sitzt Neyret dort, wohin er in seiner Karriere gut die Hälfte derer gebracht hat, die in der Lyoner Unterwelt zählten – in Untersuchungshaft. Ihm werden Drogenhandel, Korruption, gemeinschaftlich begangener Diebstahl sowie Weitergabe von Dienstgeheimnissen vorgeworfen. Gegen vier weitere hohe Kripo-Beamte wurden ebenfalls Untersuchungen eingeleitet. Sie blieben aber auf freiem Fuß.

Wie das Erscheinungsbild des Hauptverdächtigten erinnert auch die Affäre, die jetzt die französische Polizei erschüttert, an die Geschichten klassischer französischer Kriminalfilme: Ein Kommissar will einer Bande von Drogenhändlern auf die Spur kommen und nutzt dazu Kontakte zu Informanten aus dem Milieu; als Gegenleistung zeigt er sich mit einem guten Wort erkenntlich, das er für sie in einer anderen Affäre bei den Ermittlern einlegt, im Zweifelsfall auch mit mehr. Neyret hatte offensichtlich gute Verbindungen zu „Vettern“ in der Unterwelt, wie Informanten im Polizeijargon genannt werden. Und sie führten ihn zum Erfolg.

Die Festnahme einer Bande gewalttätiger Einbrecher, die Juweliergeschäfte mit schweren Geländewagen angriffen, die Aushebung eines Verstecks der baskischen Terrororganisation ETA in den französischen Alpen sowie die Trockenlegung von Netzen des Drogenhandels gehen auf sein Konto. Als Innenminister ernannte ihn der heutige Präsident Nicolas Sarkozy zum Ritter der Ehrenlegion. Noch Anfang September trat er in einer Fernsehsendung auf. Ende November kommt der Film „Les Lyonnais“ in die Kinos, den der Regisseur Olivier Marchal, ein früherer Polizeikollege, drehte. Für die Rolle des Kommissars diente ihm Neyret als Modell.

Mit dem romantischen Bild, das der Filmemacher von seinem „Kumpel“, wie er ihn nennt, zeichnet, dürfte die Wirklichkeit indes wenig zu tun haben.

Dass Polizisten ohne Kontakte zur Unterwelt Verbrechern nur schwer auf die Spur kommen, hält Christian Lothion, oberster Chef der französischen Kripo, für unbestreitbar. Doch die Zeiten, in denen Kommissare nach Gutdünken mit ihren Informanten verfahren konnten, sind längst vorbei. Deren Dienste können sie zwar weiter in Anspruch nehmen, doch sie müssen deren Namen an ein geheimes Register melden und sich eventuell gezahlte Geldbeträge, „zwischen mehreren hundert und wenigen tausend Euro“, wie Lothion der Zeitung „Libération“ sagte, anschließend auch quittieren lassen.

Das Risiko, sich in ein solches Register eintragen zu lassen und Empfang ihres kärglichen Lohns auch noch mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dürften viele Gangster, die zum Singen bei der Polizei bereit wären, freilich scheuen. Um dennoch zum Ziel zu kommen, war Kommissar Neyret vermutlich bereit, sich über die Vorschriften hinwegzusetzen. Informanten aus der Drogenszene soll er zum Beispiel mit Drogen belohnt haben, die aus den von der Polizei beschlagnahmten Beständen stammten. Etwa acht bis zehn Kilo Cannabis, was sich auf die Gesprächsfreudigkeit seiner Kontakte weit fruchtbarer auswirkte als die vom Gesetz erlaubten Beträge. Dabei sei er wahrscheinlich mehr und mehr abgerutscht.

Seine Verbindungen zum Milieu wurden offensichtlich enger. Er soll Einladungen von Bossen zum Urlaub nach Marrakesch angenommen und sich bei ihnen teure Sportwagen ausgeliehen haben. Schließlich habe er auch beschlagnahmte Drogen auf eigene Rechnung verkauft, um sein etwas aufwändiges Leben zu finanzieren.

Im Verhör gab Neyret zu, „unvorsichtig“ gewesen zu sein. Ihm drohen jetzt bis zu zehn Jahre Gefängnis.

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