zum Hauptinhalt

Panorama: Der Tod kam in der ersten Stunde

Vor allem Schüler sind Opfer. Ihre Klassenzimmer wurden zur Todesfalle. Berichte von Plünderungen

Noch vor wenigen Tagen haben auf dem Sportplatz der Schule in Balakot im Nordwesten Pakistans Kinder in den Pausen Basketball gespielt. Nun ist der Platz zum Platz des Todes geworden. Seite an Seite reihen sich größere und kleinere Körper, manche eingehüllt in Tücher oder Laken, andere noch unbedeckt. Helfer haben die Leichen aus den Trümmern der Schule geborgen. Drei Tage nach dem Todesbeben sollen allein in Balakot noch immer 1000 Kinder unter den Ruinen von Schulgebäuden begraben sein. Niemand weiß, wie viele unter den Trümmern noch leben. Das Fernsehen in Pakistan und Indien berichtet pausenlos live von den Orten des Schreckens. „Rettet mich, holt meine Mutter, meinen Vater“, ruft ein Junge mit schwacher Stimme immer und immer wieder. Er ist unter Steinplatten seiner Schule eingeschlossen. Doch die Menschen haben nicht mehr als ihre bloßen Hände, Schaufeln oder Hammer. Schweres Räumgerät fehlt. Ohnmächtig müssen die Eltern mit ansehen, wie kostbare Zeit verstreicht. „Oh Gott, rettet doch mein Kind“, schreit eine Mutter in die Kameras.

Das Erdbeben hat vor allem unter Kindern gewütet. Als die Erdstöße am Samstagmorgen gegen 8 Uhr 50 Ortszeit Südasien erschütterten, hatte gerade die Schule begonnen. Binnen Minuten verwandelten sich Klassenzimmer in Massengräber und Todesfallen. Aus Hütten hätten die Kinder vielleicht entrinnen können. Doch so wurden tausende von den schweren Decken und Wänden der Schulgebäude zerquetscht oder erschlagen. „Eine ganze Generation junger Menschen in den Erdbebengebieten wurde ausgelöscht“, sagt Pakistans Militärsprecher General Shaukat Sultan.

Aus aller Welt kommt jetzt erste Hilfe. Aber Retter, Soldaten und Freiwillige wissen kaum, wo sie mit der Hilfe beginnen sollen. Das Beben hat vor allem im Nordwesten Pakistans und im pakistanischen Teil Kaschmirs riesige Gebiete verwüstet und zehntausende Menschen getötet. Zwei bis drei Millionen Menschen sind obdachlos, warten angesichts der nahenden Kälte dringend auf Decken, Zelte, Wasser, Nahrung, Medikamente und ärztliche Hilfe. Und niemand weiß, wie viele Verschüttete noch auf Rettung hoffen – lebendig begraben unter Schutt und Beton.

Zwischen fünf und sieben Tagen können sie theoretisch überleben, doch viele werden wohl einen langsamen Tod sterben. Rettungsteams versuchen zwar, in die abgelegenen Regionen vorzudringen. Aber viele Dörfer sind abgeschnitten oder nur zu Fuß erreichbar, Straßen durch Geröllmassen blockiert. Vor den Fernsehkameras bittet Präsident Pervez Musharraf die Welt immer wieder: „Wir brauchen in erster Linie Hubschrauber, Transporthubschrauber.“ In den Gebirgen des Himalaya-Ausläufers können Transportflugzeuge nicht landen.

In vielen Regionen droht Chaos auszubrechen. Nach Agenturberichten versuchen Menschen, Geschäfte aufzubrechen und zu plündern. Dabei sei es zu gewalttätigen Krawallen gekommen. Die Inhaber hätten ihre Läden mit Stöcken und Steinen verteidigt. Andernorts würden Überlebende in verlassene Häuser und Tankstellen einbrechen – in der verzweifelten Suche nach Wasser und Nahrung.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false