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Panorama: Der Wille bewegt

Reeve war querschnittsgelähmt. Er glaubte an seine Heilung und hoffte auf die Stammzellforschung

Ohne sofortige Mund-zu-Mund-Beatmung wäre Christopher Reeve schon vor neun Jahren gestorben, als er im hohen Bogen vom Pferd fiel. Zwei Halswirbel waren gebrochen, das Rückenmark im Nackenbereich durchtrennt. Der „Superman“ konnte sich nicht mehr bewegen.

„Im Grunde handelt es sich um einen Genickbruch“, sagt Hans Jürgen Gerner, Leiter der Orthopädischen Klinik an der Uni Heidelberg. Etwa 150 Menschen erleiden jährlich in Deutschland so schwere Verletzungen, dass sie vom Hals abwärts gelähmt sind, Lunge, Blase oder Darm nicht mehr funktionieren und auch Herz und Kreislauf fehlgesteuert werden. Zudem fehlt oft jegliches Gefühl an der Haut. So werden Berührungen und Verletzungen oft nicht mehr wahrgenommen. Dafür schmerzen die gelähmten Gliedmaßen. „Ich habe oft Phantomschmerzen“, sagt Franz Kniel von der „Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten“ im pfälzischen Mönsheim.

Die Druckgeschwüre, die bei langem Liegen auf derselben Stelle entstehen, werden oft nicht gespürt. Das regelmäßige Umdrehen im Schlaf, das eigentlich automatisch passiert, unterbleibt. „Knochen drücken dann auf das Gewebe“, erklärt Gerner. Das Gewebe wird nicht mehr richtig durchblutet und mit Nährstoffen versorgt. Eine Wunde entsteht, die nur schwer wieder heilt.

Um das zu verhindern, stellen Querschnittgelähmte nachts den Wecker, um sich alle drei Stunden umzudrehen. „Nach einiger Zeit machen die das, ohne richtig aufzuwachen – quasi im Schlaf“, sagt Gerner. Das schaffen nur diejenigen, die sich noch bewegen können, andere müssen von Helfern gedreht werden.

Reeve konnte sich dabei stets auf seine Familie verlassen. Anders hätte er vielleicht die „dunkle Zeit“, wie er sie nannte, nicht überstanden. Nach dem Unfall dachte er an Selbstmord, doch der Anblick seiner Kinder gab ihm neuen Lebensmut. Und welchen Mut: Er war eines „Superman“ würdig. Mit viel Energie machte sich Reeve, der stets ein Beatmungsgerät brauchte, an die Therapie, trainierte Arm- und Beinmuskulatur.

Nach fünf Jahren konnte er den Zeigefinger bewegen und Teile seines Körpers wieder spüren. Unerschütterlich glaubte er an Heilung. Große Hoffnung setzte Reeve in Stammzelltherapien: Vielleicht könnte so das Rückenmark mit neuen Nervenzellen versorgt werden.

„Im Tierversuch geht das teilweise“, sagt Gerner, bei Menschen noch nicht. Christopher Reeve wollte diese Utopie Wirklichkeit werden lassen. Er gründete eine Stiftung, sammelte Millionensummen und verklagte US-Präsident Bush, weil dieser die Stammzellforschung behindere.

Ansonsten nutzte Reeve die Technik, ließ sich einen Atemschrittmacher implantieren, lenkte den computergesteuerten Rollstuhl mit dem Mund. Schließlich zwang ihn ein Druckgeschwür in die Klinik, wo er einem Herzinfarkt erlag.

Paul Janositz

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