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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (21): Erzählt ihr mir nichts vom Wetter!

Auf Helmut Schümanns Wanderung in und um Deutschland landet unser deutscher Autor auf der Suche nach dem europäischen Herzen in unseren Nachbarländern im österreichischen Regen beim Griechen.

Ein Teil des Plans dieser Umwanderung Deutschlands war es, dass sie im grenznahen Gebiet stattfindet. Für die Station in Kufstein in Tirol hätte das bedeutet, dass ich am Morgen das Mangfallgebirge durchsteige, von dort irgendwann die Kaiserklamm meistere, die Birkkarspitze stürme, das anschließende Schlauchkar meide, weil ich das schon kenne von München – Venedig und es nervig schlaucht, und dann über Scharnitz in Richtung Zugspitze laufe. Allein, ich habe keine Steigeisen dabei, auch keinen Eispickel, ich bekomme aber Pickel, wenn ich aus dem Fenster schaue. Es regnet in Kufstein, Katze und Hunde, und über 1500 Meter soll der Regen als Schnee aus den Wolken fallen.

Gegenüber der Pension „Gisela 1877“ liegt der Bahnhof von Kufstein. Ich fahre mit der S-Bahn nach Innsbruck. In Innsbruck am Hauptbahnhof, hat sich das Wetter beruhigt, ich laufe nach Telfs, das sind etwas mehr als 20 Kilometer. Auf Höhe des Bahnhofs Innsbruck West, also nach einem Kilometer, regt sich das Wetter wieder auf. Als ich in Telfs ankomme, heißt es, dass ich nur durch die Bahnunterführung gehen muss dann links, dann rechts, dann bin ich am Rathaus, wo die Busse abfahren. Über der Bahnunterführung steht die S-Bahn, mit der ich trocken von Innsbruck hätte fahren können.

Ihr regt euch über das Wetter auf in Deutschland?

Der neue Plan war, dass ich von Telfs aus nach Ehrwald mit dem Bus fahre. Ehrwald liegt am Fuß der Zugspitze. Bei einer Umrundung Deutschlands mit Blick auf Deutschland kann ich den höchsten grenznahen Punkt Deutschlands (2962 Meter) nicht auslassen. Die Wartezeit in Telfs bis der Bus kommt, verbringe ich, der Freund des europäischen Gedankens, in einem Gasthof, der früher einmal „Hotel Löwen“ geheißen hat, jetzt aber „Restaurant Irodion“, das Gyros, Souvlaki und einen Grillteller mit allem anbietet, und dessen Wirt Nikolao Soto wüst über Europa schimpft. Ein Deutscher, auf Wanderung und der Suche nach dem europäischen Herzen in unseren Nachbarländern landet im österreichischen Regen beim Griechen – das klingt erfunden, war aber so und ist nachweisbar.

Der Bus bringt mich nicht nach Ehrwald, ich muss umsteigen. In Nassereith muss ich umsteigen. Nassereith hält, was der Name verspricht. In Ehrwald angekommen, erzählt mir eine Claudia, wie schlecht das Wetter für ihren Gasthof sei und ein Peter berichtet, dass er gerade aus Bayreuth komme, von einer Messe, auf der er Außenküchen verkaufen wollte und beinahe weggeflogen wäre.

Das Hotel, in dem ich unterkomme heißt „Zum grünen Baum“ und hat einen Gast. Mich. „Nein“, sagt der junge Mann an der Rezeption, „das Restaurant ist noch nicht wieder geöffnet“, auch müsse er jetzt gleich weg, zeigt mir aber noch den Nebeneingang, in den ich mit meinem Schlüssel auch alleine ins Hotel komme. Wer bewohnt schon ein Geisterhaus? Kurz kommt beim Blick vom Balkon die Zugspitze raus, ich blicke auf die Zugspitze, nicht von der Zugspitze, dann verschwindet sie wieder in den Wolken. Es regnet.

Heute Morgen bin ich dann hochgefahren. Mit Verzögerung, weil der Bus zur Seilbahn nicht fuhr wegen der Fronleichnam-Prozession im Regen. Aber nach einer Stunde im Regen war ich an der Talstation. Ich fuhr hoch. Ich ging hoch von Tirol nach Bayern (ein Schritt), ich blickte auf Deutschland. Ich will das jetzt nicht interpretatorisch erhöhen. Es hatte minus vier Grad, es schneite, von den Dächern der Gebäude auf der Zugspitze hingen dicke Eiszapfen, und als ich herabschaute auf Deutschland sah ich Wolken, Wolken, Wolken, nichts.

Erzählt ihr mir nichts vom Wetter.  

Helmut Schümann umrundet derzeit Deutschland – manchmal mit dem Bus, manchmal im Regionalzug, aber meistens zu Fuß.

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