zum Hauptinhalt
Martin Jann, Geschäftsführer der „IBA 2020“.

© Helmut Schümann

Deutschland drumherum (25): Von der Schweiz über den Rhein nach Frankreich

Leben wie Gott in Frankreich, arbeiten in der Schweiz und Einkaufen in Deutschland: Die Bewohner des Dreiländerecks sind nicht nur mit schönem Wetter gesegnet - wie unser Kolumnist auf seiner Reise rund um Deutschland feststellen muss.

Der Marsch von Basel nach Mulhouse ist ein harter Ritt, besonders wenn die Zeit drängt und in Mulhouse der Zug, der mich in Richtung Neuf-Brisach bringen soll, dem linksrheinischen, französischen Teil von Breisach am Rhein, sicherlich fahrplanmäßig abfährt und keine Rücksicht nimmt auf einen fußlahmen Wanderer.

Ich bin also in Frankreich angekommen. Und es wird die Debatte wieder losgehen, die schon tobte, als ich durch Polen und Tschechien lief. Die Diskussion nämlich, ob ich bei der Benennung der Orte meiner Umwanderung die Einheimischen oder die Deutschen sprechen lasse. Ich denke, ich werde es mal so machen und mal so. Aber meistens so.

Martin Jann hatte mir einen Teil der Wegstrecke vorgeschlagen. Mit Martin Jann war ich in Basel verabredet, weil er Geschäftsführer der „IBA 2020“ ist, der Internationalen Bauausstellung in Basel.  Das ist eine internationale Veranstaltung, die sich im trinationalen Ballungsraum Basel abspielt, und in der schon heute die grenzübergreifenden Momente im Zentrum stehen. „Gehen Sie von hier über die Dreirosenbrücke, dann links durch die Hafenanlage von Klybeck, durch Kleinhünigen und am Ende, wenn Sie in Weil am Rhein in Deutschland sind über die Dreiländerbrücke, der Passarelle de Trois Pays, da sieht man die Entwicklung.“

Jann ist einer der Menschen, die so beseelt sind von ihrer Sache, so in ihr verhaftet sind und so kenntnisreich, dass sie anfangen zu reden, nach etwas mehr als einer Stunde kurz Luft holen, und den Zuhörer dann weiter überschütten mit Informationen, bis der völlig erschlagen ist von all den Dingen, die hier geschehen. Die IBA fasst zusammen und vernetzt Projekte, die die „trinationale Agglomeration Basel“, so nennt sich das, entlang des Rheinknies zu einem gemeinsamen Lebens- und Alltagsraum zusammen wachsen lassen. Das sind Projekte des Landschaftsbaus, der Wirtschaft, der Kultur und des Nahverkehrs.  Das sind spannende Projekte, die einerseits die hiesigen Grenzen zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland komplett entgrenzen, andererseits etwa in Fragen des Arbeitsrechts, der Besteuerung, des Gesundheitswesens immer strenger ziehen.

Ein Projekt von Janns Team ist besonders spannend. Sie haben verschiedene Bevölkerungsgruppen mit GPS-Sendern ausgestattet, um deren Wege im Dreiländereck nachzuvollziehen, und zusätzlich Fragebögen ausfüllen lassen. Die Daten sind noch nicht vollständig beisammen, manche Gruppen sind noch zu klein, als dass sie datenschutztechnisch anonym genug sein könnten, aber es lässt sich schon die Idealvorstellung der Bewohner dieser vom Gott der Landschaft und vom Gott des Wetter überreich geküssten Region herausfiltern. Demnach fühlen sich die Menschen hier in erster Linie weniger als Franzosen, Schweizer, Deutsche, sondern als Bewohner der Region Basel. Folgerichtig sieht der ideale Lebensplan so aus: Wohnen in Frankreich, wie Gott es vielleicht auch tun würde, arbeiten in der Schweiz, weil die Gehälter dort göttlich sind, und einkaufen in Deutschland, weil die dortigen Verhältnisse im Vergleich zu den beiden anderen Nachbarn paradiesisch niedrig sind. Der wirtschaftliche Gewinner dabei: Der Handel in der Bundesrepublik Deutschland. „80 Prozent der Basler kaufen drüben in Weil am Rhein ein“, sagt Jann.

Am Ende des Weges durch Industrieanlagen und Hafengebiet, entsteht gerade, was Jann meinte und was ihn so begeistert. Man muss die Gebäude, gerade um die Zollstation am Dreiländereck nicht schön finden, man kann auch staunen, dass tatsächlich noch eine Abfertigung stattfindet, die aber mehr dazu dient, dass sich Schweizer Bürger einen grünen Stempel abholen, mit dem sie sich einen Teil der Mehrwertsteuer auf die in Deutschland eingekauften Waren rückerstatten können. Und daneben ist schon fertig, am äußersten Zipfel von Weil am Rhein, wenn man so will am äußersten Zipfel Deutschlands das Rhein-Center, „Das ist“, wie Jann sagt, „ das größte Einkaufscenter Europas.“

Ich, der Wanderer, brauche dort nichts, ich überquere den Rhein, bin auf der anderen Seite in Frankreich, es geht weiter, immer weiter. Das Elsass ist aber auch zu schön, selbst wenn es ein harter Ritt war. Und den Zug habe ich auch noch geschafft. Und in Colmar den Anschlussbus, auf dem als Ziel „Freiburg“ stand, in deutsch. Ich bin dann in Neuf-Brisach ausgestiegen.   

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false