zum Hauptinhalt

Panorama: Deutschlands berühmtester Neuköllner

Kurt Krömer feiert am Mittwoch an der Schaubühne Premiere in seiner ersten Theaterhauptrolle

Berlin - Krömer kommt gleich nach Willy Brandt. Wobei? Na, auf der Liste der 30 beliebtesten Berliner, die die Zuschauer des Rundfunks Berlin-Brandenburg gerade gekürt haben. Platz 1 hält sein Idol Harald Juhnke. Dann kommen Marlene Dietrich, Helga Hahnemann, Willy Brandt, und auf dem fünften folgt der Narr aus Neukölln. Mit seinen 32 Jährchen hängt Käffchentrinker Krömer auf der Liste der Kult-Berliner sogar tote und lebende Legenden wie Hilde Knef und Klaus Wowereit ab.

Und das ist längst nicht alles: Mittwoch feiert Kurt Krömer in seiner ersten Hauptrolle auf einer seriösen Theaterbühne Premiere. An der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz spielt er den Pleiteproduzenten Gordon Miller in der überkandidelten Broadway-Komödie „Room Service“ aus den dreißiger Jahren. Und so viel sei schon mal verraten: Krömer nennt auch als Miller alle Mädels Mäuschen. Das Interesse ist enorm. Seit ein paar Tagen laufen bereits Voraufführungen, die bis auf Restkarten genauso ausverkauft sind wie die Premiere und sämtliche Vorstellungen im November.

Parallel zum rasanten Kartenabsatz, den Schaubühnen-Chef Thomas Ostermeier sehr erfreuen dürfte, rauscht es seit Wochen mächtig im Blätterwald. Und das sogar über den ehemaligen Grenzkontrollpunkt Dreilinden hinaus. Und die lokalen Boulevardblätter machen sich kurz vor der Premiere Sorgen, dass Krömer die nackigen Popos der Schaubühnen-Kollegen aufs Gemüt schlagen. Wo er doch bisher in seinen Bühnenprogrammen wie „Na, du alte Kackbratze“ oder den Fernshows „Kurt Krömer Show“, „Bei Krömers“ und „Krömer – die internationale Show“ bei Zuschauern und Talkgästen eher durch stabiles Ego oder rabiate Anpflaumereien auffiel als durch Zartgefühl.

Selbstverständlich bleibt Kurt Krömer, der eigentlich Alexander Bojcan heißt und bekennendes Proletarierkind ist, auch in „Room Service“ seinem wichtigsten Ausdrucksmittel treu: dem Berlinern. Sein Gordon Miller sei Emigrant und komme aus Berlin, einem Vorort von Polen, erklärt Krömer in einer kleinen Stand-up-Einlage. Und obwohl sich New York dann im Stück gelegentlich doch anfühlt wie Neukölln, funktioniert das bestens. Das halb trashig und halb im Retroschick bemöbelte Hotelbühnenbild sieht jedenfalls nicht aus wie das Estrel an der hinteren Sonnenallee.

Dass der Clown Krömer vor dem Ensemblespiel mit gelernten Schauspielern etwas Manschetten hat, hat er vorher pflichtschuldigst offenbart. Dabei ist er inzwischen Stammgast in Charlottenburg. Eingeführt hat ihn sein Kumpel Matthias Matschke, der zum Ensemble der Schaubühne gehört. 2004 trat er in dessen „Friday Late Night Stand Up Club“ auf, und im Jahr darauf okkupierte er für seine Soloshow „Krömertorium“ die Bühnenbilder gerade laufender Dramen. Ihm hat Krömer auch eine erste kleine Rolle im Hebbel-Theater zu verdanken. Da spielte der abgebrochene Herrenausstatterlehrling 2004 einen Butler. Damals habe er Blut geleckt, sagt Krömer, der seine Schaubühnenauftritte als lebende Bewerbung um eine Rolle bei Thomas Ostermeier betrachtet. Hat prima geklappt, wie man sieht. Und der massige Theateravantgardist Thomas Ostermeier hat jetzt einen schmalen Volksstar, der dem wie Volksbühne Ost aussehenden Anarcho-Tumult der Schaubühne West in „Room Service“ eine Mitte gibt. Klar, dass Krömer und Kollegen dabei mit der Figur des hüftsteifen Neuköllners ihr Spiel im Spiel treiben. Und obwohl Krömer lieb gewordene Floskeln wie „Macht’s jut, Nachbarn!“ oder „Hör ma uff so bescheuert zu lachen, du Arschloch!“ spricht, kann der Theaterabend durchaus Fremdeln unter den Fans von Mattscheiben-Krömer auslösen. Mal sehen, wie viele Neuköllner kommen, um ihren Kleine-Leute-Helden auf der großen Bühne zu sehen. Seine Körpersprache der eckigen, schüchternen und unvollendeten Bewegungen passt da jedenfalls ebenso gut hin wie die terrierhafte Angriffslust. Und von oben aus dem Trinkerhimmel schaut Harald Juhnke lächelnd zu, wie Kurt Krömer swingend sein Andenken pflegt. Welche Theaterrolle Krömer unbedingt noch spielen will? Den Hauptmann von Köpenick!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false