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Panorama: Diätpille für den Ramadan

Türkische Geistliche streiten über US-Präparat, das Hunger- und Durstgefühl im Fastenmonat unterdrücken soll

Die Sonne brennt vom türkischen Himmel, die Temperaturen liegen selbst am relativ kühlen Bosporus am Mittag bei 30 Grad, im Südosten des Landes erreichen sie 40 Grad. Der islamische Fastenmonat Ramadan, in dem die Gläubigen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und nichts trinken dürfen, fällt diesmal in die heißeste Zeit des Jahres. Nun verspricht ein aus den USA eingeführtes Diätpräparat Linderung – doch ob die Super-Pille im Ramadan gottgefällig ist, darüber streiten sich die Gelehrten.

Offiziell nimmt die säkulare Republik Türkei kaum Notiz vom islamischen Fastenmonat. Es wird gearbeitet wie immer, Bahne und Busse fahren normal, die Industrieproduktion brummt, auch auf dem Bau wird geschafft. Tagsüber fällt der Ramadan im Stadtbild der 14-Millionen-Metropole Istanbul kaum auf. Abends ist das anders. Die festlich erleuchteten Moscheen sowie die Angebote zum sogenannten Iftar, dem traditionellen Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, ziehen die Gläubigen an. Die Stadtverwaltungen organisieren Massen-Iftars mit Kirmes für die Armen, die Restaurants locken mit speziellen Ramadan-Menüs für die Reichen.

Interessenten aus allen Einkommensschichten gibt es genug. Nach Umfragen halten sich gut 60 Prozent der mehr als 70 Millionen Türken jeden Tag an das Fastengebot, weitere 30 Prozent fasten mit Unterbrechungen und Ausnahmen. Einige verzichten als Enthaltsamkeitsübung auf Zigaretten. Nur etwa acht Prozent ignorieren den Ramadan vollkommen.

Der fehlenden Flüssigkeitsversorgung an heißen Ramadan-Tagen ist nicht so leicht Herr zu werden. Im arabischen Raum steht das öffentliche Leben im Ramadan tagsüber vielerorts fast still, doch das kommt in der Türkei nicht infrage. Ernährungsexperten empfehlen deshalb, am Abend und am frühen Morgen besonders mineralreiche Nahrung zu sich zu nehmen und viel Wasser zu trinken. Auch sollten die Türken auf keinen Fall auf den Sahur verzichten, das stärkende Frühstück vor Sonnenaufgang, das viele schlicht verschlafen.

Findige Unternehmer eilen nun den dürstenden Gläubigen zur Hilfe. Sie importieren ein Präparat aus den USA, das aus der Diätforschung kommt. Es soll Hunger- und Durstgefühle unterdrücken, dem Körper ein Sättigungsgefühl vorgaukeln und damit das Leben in der Ramadan-Hitze leichter machen. Eine Dose der Ramadan-Pillen kostet umgerechnet knapp 30 Euro – viel Geld für einen Durchschnittstürken.

Islam-Experten sind sich uneinig, ob die Tabletten den Koran-Vorschriften genügen oder nicht. Der Theologie-Professor Suat Cebeci sagte der Zeitung „Radikal“, gegen die Ramadan-Pille sei nichts einzuwenden, schließlich solle das Fasten ja keine Qual sein. Dagegen meint Ex-Religionsamtschef Süleyman Ates, das Gefühl der Entbehrung sei ein wichtiger Teil des Fastens und bringe den Gläubigen seinem Gott näher. Ates hält die Pillen deshalb für unzulässig. Andere Experten vergleichen die Pille mit heimlichen Bestechungszahlungen im Fußball: Obwohl nach außen alles normal erscheine, werde in Wirklichkeit doch geschummelt.

Dem Pillen-Importeur Oguz Vatansever zufolge denken viele Türken aber ganz anders als der strenge Herr Ates und der Rest der Tabletten-Gegner: Der Verkauf des Präparates sei sprunghaft gestiegen, berichtete Vatansever in der „Radikal“ stolz – und zwar seit dem ersten Tag des Ramadan.

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