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Panorama: Die Farbe Blau: Signal für Reiz und Ruhe

Deutschlands Polizei trennt sich vom alten Grün

„Die Hosen kratzen, die Hemden sind unbequem – im Sommer zu warm, im Winter zu kalt“ – so einfach erklärt ein Polizist, warum er sich eine neue Uniform wünscht. In Hamburg haben seine 5500 Kollegen sie schon, „die Uniform des 21. Jahrhunderts“, wie sie Marco Haase, Pressesprecher der Hamburger Polizei, nennt.

Sie ist blau. In Goethes Farbenlehre war die Farbe Blau „ein reizendes Nichts“. „Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe im Anblick“, schrieb Goethe. Reiz und Ruhe – in einigen Jahren werden vielleicht alle Polizeibeamten in Deutschland in Blau auftreten. Hamburg war Vorreiter, und in dieser Woche stellte Innenminister Schily die neu gekleidete Bundespolizei vor. Zahlreiche Bundesländer werden folgen. Bereits die erste Präsentation in Hamburg Ende 2002 geriet recht modern, um nicht zu sagen amerikanisch. Der damalige Innensenator Roland Schill stellte zusammen mit dem Alles-Designer Luigi Colani die ersten Uniform-Entwürfe vor. Er wolle Hamburg „die schärfste Uniform des Kontinents“ verpassen, schwärmte Colani. Auf Motorrädern fuhren die Polizeimodels vor, in ihren blauen Hemden und mit am oberen Rand eckigen Mützen sollten sie wohl vor allem cool aussehen. Auf jeden Fall erinnerten sie mehr an Cops aus US-Actionfilmen, als an den traditionellen Schutzpolizisten, der bis 1976 in hanseatischblauer Uniform in Hamburg Dienst getan hatte. Die war wiederum nach dem II. Weltkrieg von den Briten eingeführt worden, weil sie die grünen Uniformen zu sehr an die Nazizeit erinnerten.

Im Jahr 1976 wurde zum ersten Mal eine einheitliche Polizeiuniform für alle Bundesländer eingeführt. Dafür hatte der Berliner Modeschöpfer Heinz Oestergaard den Auftrag bekommen, „freundlich aussehende Uniformen“ zu entwerfen. Grüne Hose und Jacke, dazu ein beigefarbenes Hemd: Das neue Outfit sollte dem Polizeibeamten wieder ein besseres Ansehen in der Bevölkerung verschaffen.

In den 60er und 70er Jahren war es mit dem Verhältnis zwischen der Polizei und einem großen Teil der Bürger nicht zum Besten bestellt. Da kam das freundliche Grün gerade richtig. Jetzt, wo keiner mehr etwas gegen die Polizei hat, kann diese wieder zum distanzierenden und Respekt einflößenden Blau übergehen.

Auch wenn einst mit den Grün- und Beigetönen zur Befriedung beigetragen werden sollte – richtig glücklich war wohl selbst Oestergaard damals nicht mit dem Endergebnis: Sein erster Entwurf war in zurückhaltendem Grau mit weißem Koppel gehalten gewesen, dann wollte er für jedes Bundesland andersfarbige Bekleidung. Das Ergebnis schließlich war ein Kompromiss. Neben den grün-braunen Oestergaard-Farben standen ein helles Veilchenblau und Dunkelblau in der Innenministerkonferenz zur Auswahl. Mit einer Stimme Mehrheit gewann Grün – und damit der damalige Zeitgeschmack: Dunkelblau galt als bieder und zu traditionell, das Veilchenblau fiel glatt durch.

Jetzt nach 30 Jahren ist es kaum verwunderlich, dass diese Uniform sich nicht nur altmodisch anfühlt, sondern auch so aussieht. Wer würde schon gern einen Anzug aus einem Polyestergemisch, den er vielleicht in den 70er Jahren schick fand, heute noch tragen. „Wie Förster“ fühlen sich einige Beamte, die Farben werden mal als Schlamm- oder unlängst von Colani als „Fäkalton“ bezeichnet. Da hat es ein dunkles Blau einfacher, dieser Farbe wird eine kühle und distanzierende Wirkung zugeschrieben – deshalb ist es eine beliebte Anzugfarbe in der Geschäftswelt. Aber die Polizei wird nicht müde zu betonen, dass „moderne Schnitte und die Funktionalität“ im Vordergrund stünden und eben nicht die Farbe. Es gehe nicht darum, „der Polizei einfach eine neue Verpackung zu geben“, sagt Marco Haase.

Auch wenn viele Bundesländer angekündigt haben, in Zukunft auf die blaue Uniform umzusteigen, könnte der Übergang zu Blau mehrere Jahre dauern. Vor allem in Bayern und Baden-Württemberg bleibt Grün im Trend.

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