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Panorama: Die Frauenfalle

Eine Therapie kann helfen, nicht immer an die gleichen falschen Männer zu geraten. Wie Kate Moss

Warum gerate ich immer an den falschen Mann? Das fragen sich viele Frauen. Die kurze Meldung des „Daily Mirror“ sorgte deshalb nicht nur in England für Aufsehen: Kate Moss macht eine Psychotherapie, um endlich den richtigen Mann zu finden. Ein „anständiger“ Freund solle es sein, sagte Moss, deren Trennung von Rocksänger Pete Doherty die Medien lange beschäftigt hatte.

Warum fühlen sich erfolgreiche Frauen wie Kate Moss von „kaputten“, Kokain konsumierenden Musikern so magisch angezogen? Ist ein „Suchtcharakter“ nicht eher ein abstoßendes Merkmal? Und sollte nicht eine einzige schlechte Erfahrung reichen, um in Zukunft die Finger von solchen Typen zu lassen?

So einfach ist es ganz offensichtlich nicht. „Zu Menschen, die eine Abhängigkeitsstruktur haben, ergibt sich typischerweise eine symbiotische Beziehung, und das erleben viele als reizvoll“, weiß die Berliner Psychologin und Paartherapeutin Monika Häußermann. Der Kick kommt oft aus der drogenbedingten Erfahrung der Grenzenlosigkeit. Dazu kommt das Gefühl, gebraucht zu werden – als der ruhende Pol, der das Leben und die Gesundheit des Abhängigen kontrolliert und überwacht. Eine Art der Nähe, die den Therapeuten zufolge gerade viele Frauen unbewusst immer wieder suchen. Ko-Abhängigkeit nennen es die Fachleute.

Im Glamour-Leben der Reichen und Erfolgreichen treten die abstoßenden Folgen des Drogenkonsums noch dazu zunächst oft gar nicht zu Tage. Im Gegenteil: Die Kokain schnupfenden Musiker, bildenden Künstler und Designer gehören ja zu den Sensiblen, Kreativen, Attraktiven. Der Psychologe Lars Penke, der sich an der Humboldt-Universität wissenschaftlich mit dem Thema Partnerwahl beschäftigt, erklärt die Anziehungskraft dieser Männer damit, dass der Drogenkonsum bei ihnen geradezu als Signal dafür funktioniert, wie „toll“ sie sind. „Die Drogen wirken in diesem Fall wie ein ‚Handicap’, ein schwer zu fälschendes Signal, das anzeigt: Schau her, ich bin so gut, ich bin selbst dann noch erfolgreich im Leben, wenn ich zum Spaß eine giftige Substanz nehme, die viele andere Menschen ruiniert.“

Aus dieser Sicht ist der Konsum harter Drogen also eine extreme Steigerung des männlichen „Imponiergehabes“. Ein besonders risikofreudiger erwachsener Mann setzt damit fort, was der coole 14-Jährige mit Bier und Zigaretten versucht hat.

Trotz der Drogen fit und erfolgreich zu sein und nicht aus der Bahn geworfen zu werden, gilt in dieser Logik als Hinweis auf „gute Gene“. Solche Hinweise aber sind aus evolutionsbiologischer Sicht ein wichtiges Kriterium der Partnerwahl. Schließlich schenkte die Natur die Fähigkeit, sich zu verlieben, auch Prominenten nicht mit Rücksicht auf die Klatschspalten, sondern im Dienste des Fortpflanzungserfolgs.

Andererseits, so mag man einwenden, taugen Männer mit Drogenproblemen doch eher weniger zum ausgeglichenen, belastbaren und zuverlässigen Familienvater. Warum bevorzugen manche Frauen sie trotzdem? Evolutionspsychologe Penke sucht die Antwort im „fundamentalen Kernproblem der menschlichen Fortpflanzung“. Die Frauen suchen – in der Regel unbewusst – bei ihren potenziellen Partnern und Kindsvätern nach zwei Dingen: Sie wollen den Mann, der sie beim Großziehen der Kinder zuverlässig unterstützt.

Und sie suchen nach dem harten Kerl mit der soliden Konstitution – die sie besonders gut zu erkennen glauben, wenn sie hart auf die Probe gestellt wird. „Am liebsten hätten sie natürlich beides: einen imposanten Partner, der sich rührend um die Kinder kümmert“, sagt Penke. In der Wirklichkeit führe das meist zu einem Kompromiss.

Bei Kate Moss war es möglicherweise dieser Zwiespalt, der sie in die Therapie führte. „Dafür ist zuallererst die Erkenntnis wichtig, dass ich mich in einem neurotischen Modus befinde, in dem ich keine Alternative sehe, so dass ich immer wieder in Beziehungs-Sackgassen lande“, sagt Psychotherapeutin Häußermann. Erst dann ist man bereit, die Erfahrungen zu bearbeiten, die man im Lauf des Lebens mit Bindungen gemacht hat. Grundsätzliche Veränderungen der Persönlichkeit sind auch nach einigen Jahren Therapie nicht zu erwarten – es hilft im Gegenteil, wenn man lernt, sich selbst ein bisschen mehr zu mögen und sich auch phasenweise ohne Partner wohl zu fühlen. „Nur aus dieser Erfahrung heraus kann man lernen, Grenzen zu setzen und die Erwartungen an das Glück anders zu strukturieren“, so versucht die Psychologin die realistischen Ziele zu umreißen.

Das fällt vor allem dann schwer, wenn sich in dieser Zeit am sozialen Umfeld nichts ändert. Und für Karrierefrauen wie Kate Moss könnte es besonders schwierig werden. Die wiederholte Entscheidung für einen Mann, der mit Risikoverhalten imponiert, falle Frauen besonders leicht, „wenn der eigene soziale und finanzielle Status sie auch im Fall einer Schwangerschaft weitestgehend unabhängig von väterlicher Unterstützung macht“, sagt Beziehungsforscher Penke.

Adelheid Müller-Lissner

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