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Panorama: Die Frauentürme sind das Maß

Die Münchner wollen, dass bei Hochhäusern die Bauhöhe von hundert Metern nicht überschritten wird

Da standen sie nun. Oder saßen. Schoben im Rathaus die Gläser von links nach rechts und murmelten leise Verwünschungen. Es ging auf acht Uhr abends am Sonntag, als die Münchner Stadtpolitiker im Gefolge von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) verwundert bis entsetzt eingestehen mussten, dass es beim Hochhaus-Bürgerentscheid zu einer kaum für möglich gehaltenen Niederlage für die Fraktion gekommen war, die sich für ein „modernes München“ engagiert hatte: Hochhäuser hätten demnach außerhalb des Zentrums in den Himmel schießen können, wie sie wollten.

Die Münchner Bürger, von denen allerdings nur jeder fünfte Wahlberechtigte abgestimmt hatte, sahen das mehrheitlich anders: Fast 51 Prozent votierten dafür, dass als maximale Höhe für neu zu bauende Häuser in München 100 Meter festgeschrieben werden. Das entspricht den Maßen der Frauenkirchentürme.

Ein knapper Sieg, aber ein Sieg für die vom früheren sozialdemokratischen OB Georg Kronawitter angeführte Initiative „Unser München“. Kronawitter hatte sich – zur besonderen Verbitterung der Sozialdemokraten – aufopferungsvoll gegen die Absichten seines „Wunschnachfolgers“ (Kronawitter über Ude) gewehrt, der Stadt ein zeitgemäßeres Gesicht zu verpassen. Dazu gehörten Pläne, die es unter anderem dem Süddeutschen Verlag ermöglichen sollten, an der Autobahn zur Messe eine Bürozentrale zu bauen, die 145 Meter hoch hätte sein sollen. Weiterhin hatte der Stadtrat der Firma Siemens bereits in Aussicht gestellt, in Obersendling zwei Baukörper á 112 und 148 Metern errichten zu können. Beide Pläne sind nun hinfällig. Neue Optionen werden geprüft.

Pikanterweise war Kronawitter im Kampf gegen beliebige Hochhaushöhen fast alleine – gegen eine große Koalition von SPD, CSU, Grünen, FDP, Gewerkschaften und Wirtschaft, die geschlossen hinter Ude standen. Ude wollte das „moderne München“; Kronawitter eine Stadt, die man auch im 21. Jahrhundert noch als eine architektonisch vom 19. Jahrhundert geprägte wiedererkennen könne. Mit einem Minimalbudget von 6000 Euro begann er vor Monaten seinen geradezu donquichottehaft anmutenden Feldzug. Vor allem in der letzten Woche vor der Entscheidung sah er sich einer beispiellosen Anzeigenkampagne seiner Gegner ausgesetzt. Wer Rang und prominenten Namen hatte, war angetreten. Kronawitter hatte sich von der Münchner Presse „behandelt gefühlt wie der letzte Dreck“.

Entsprechend enthusiastisch wie auf der anderen Seite deprimiert waren die Reaktionen am Sonntag: Kronawitter empfand das Votum als „Entscheidung für München“, Ude gestand eine für ihn reichlich ungewohnte Niederlage ein, die es aber zu akzeptieren gelte.

Drastisch wurde der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Franz Maget: Er merkte an, dass „die jungen Leute gescheit daherredeten“, aber „ihren Arsch nicht ins Wahllokal“ bewegten. Kronawitter habe der SPD in München sehr geschadet, doch bleibe ein Bürgerbegehren natürlich legitim. Der Grünen-Bürgermeister Hep Monatzeder ist deprimiert, „dass sich 80 Prozent der Münchner nicht dafür interessieren, wie es mit der Stadt weitergeht.“ Er befürchtet schon, dass der Stadt in der Person Kronawitters eine Art von zweitem OB entstehe. Realistischer scheint, dass ein müder und angeschlagener Christian Ude nun keine Lust mehr verspüren wird, sich 2008 noch einmal zu bewerben. Was die Hochhausfrage angeht, so steht Christian Ude nun vor der Aufgabe, mögliche Investoren mit der Tatsache zu konfrontieren, dass mit der magischen Ziffer von hundert Höhenmetern in München der himmelwärts strebende Baurausch ein Ende hat.

München ist eben anders; anders sogar als selbst viele Münchner gedacht hätten. Wer hier über seine Stadt hinausschauen will, dem bleibt ein angestammtes Ziel. Vom 91 Meter hohen Turm des Alten Peter am Viktualienmarkt aus sieht man bei Bedarf und Föhn gänzlich Unantastbares: die Berge!

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