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Panorama: Die Gefahr eines tödlichen Autounfalls ist in der Türkei fünf Mal so hoch wie in Deutschland

Für die deutschen Urlauber in der türkischen Ägäis-Stadt Bodrum sollte es ein schöner Ausflug werden: Sie wollten sich am Wochenende die Ruinen der antiken Stadt Ephesus bei Izmir anschauen, rund 200 Kilometer weiter nördlich. Doch ihr Reisebus kam nicht weit.

Für die deutschen Urlauber in der türkischen Ägäis-Stadt Bodrum sollte es ein schöner Ausflug werden: Sie wollten sich am Wochenende die Ruinen der antiken Stadt Ephesus bei Izmir anschauen, rund 200 Kilometer weiter nördlich. Doch ihr Reisebus kam nicht weit. In der Nähe der Stadt Milas, rund 50 Kilometer östlich von Bodrum, kam den Urlaubern ein Lastwagen auf der falschen Spur entgegen Der 37-jährige Busfahrer Osman Mutlu konnte nicht mehr ausweichen - frontal krachten Bus und Lastwagen zusammen. Vier deutsche Touristen, Busfahrer Mutlu, Reiseführer Necdet Issi und der Lastwagenfahrer Ibrahim Yur wurden getötet, 23 andere deutsche Touristen wurden verletzt.

"Wie ein Akkordeon" wurde der Reisebus zusammengequetscht, berichtete ein Augenzeuge. Auch der mit Wasserkanistern beladene Lastwagen wurde völlig zerstört. Warum LKW-Fahrer Yur auf der falschen Straßenseite fuhr, konnte noch nicht geklärt werden. Die Staatsanwaltschaft in Milas hat Ermittlungen aufgenommen.

Schwere Unfälle wie dieser gehören in der Türkei zum traurigen Alltag. Erst vor zwei Wochen starben auf der Autobahn zwischen der Hauptstadt Ankara und der Metropole Istanbul 13 Insassen eines Überlandbusses. Der Fahrer des im türkischen Südosten gestarteten Busses hatte 14 Stunden lang ununtebrochen am Steuer gesessen und war eingeschlafen. Insgesamt sterben in der Türkei jedes Jahr rund 5000 Menschen im Straßenverkehr - gemessen an der Fahrzeugdichte ist die Gefahr, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, in der Türkei fast fünfmal so hoch wie in Deutschland. Vor zwei Jahren sollte deshalb jeder türkische Autofahrer verpflichtet werden, immer einen Leichensack im Wagen zu haben, doch nach einem empörten Aufschrei der Öffentlichkeit zog die Regierung ihren Vorschlag wieder zurück.

Vom menschenfressenden "Verkehrsmonster" sprechen die Türken: Im Straßenverkehr lassen mehr Menschen ihr Leben als im Krieg gegen die PKK. Feiertags-Wochenenden, wenn das halbe Land zu Familienbesuchen unterwegs ist, werden regelmäßig zu Blutbädern mit mehreren hundert Toten in wenigen Tagen. Die Polizei verteilt vor solchen Feiertagen Süssigkeiten an die Autofahrer und ermahnt sie zur Vorsicht. Doch auch diese Charme-Offensive der Behörden hat die Unfallzahlen bisher nicht drücken können.

Schuld daran sind vor allem Unachtsamkeit und Verwegenheit der Fahrer, die häufig viel zu schnell für die oft nicht ausgebauten Überlandstraßen sind und riskante Überholmanöver wagen. In einer kürzlichen Studie mussten viele Befragte gestehen, dass sie noch nicht einmal die Geschwindigkeitsbegrenzungen kennen. Jeder zweite gab zu, einfach die schlecht bezahlten Verkehrspolizisten zu bestechen, wenn er bei einem Verstoß erwischt wird.

Doch nicht nur Raser oder sich selbst überschätzende Fahrer machen den Straßenverkehr in der Türkei zu einem riskanten Abenteuer. Auch der ruhende Verkehr kann gefährlich sein. Vorsichtige Verkehrsteilnehmer vermeiden so gut es geht Nachtfahrten außerhalb der Städte. Denn bei Dunkelheit tauchen auf vielen Straßen - auch auf Autobahnen - plötzlich unbeleuchtete Lastwagen am Fahrbahnrand auf, die dort abgestellt sind oder sich nur im Schneckentempo fortbewegen: Hindernisse, die je nach eigener Geschwindigkeit tödlich sein können.

Angesichts dieser Verhältnisse will das Innenministerium in Ankara jetzt die Vorschriften verschärfen. So sollen nur noch Fahrer mit mindestens drei Jahren Fahrpraxis einen Reisebus oder einen Lastwagen lenken dürfen. Auch Alkohol am Steuer soll strenger bestraft werden. Doch Zweifel an der Wirksamkeit der neuen Maßnahmen sind angebracht: Die bestehenden Verkehrsregeln sollten ausreichen, um die Zahl der Unfälle zu senken - denn das Problem liegt nicht in fehlenden Vorschriften, sondern in deren mangelnder Umsetzung auf den Straßen.

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