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Panorama: Die Hoffnung stirbt, wenn das Geld ausgeht

Wenn Todkranke in Texas zu teuer werden, dürfen Krankenhäuser die Behandlung einstellen

Die Wanderprediger sind abgezogen, die Transparente eingerollt. Die letzte Messe nach dem traurigen Sterben von Terri Schiavo ist gesungen, doch die Debatte um die Grenze zwischen Leben und Tod geht in den USA weiter. Allerdings mit deutlich gedämpftem Ton. So lässt sich wohl auch erklären, dass der Name Spiro Nikolouzos dieser Tage nur selten in den US-Nachrichten auftaucht. Dabei verbirgt sich hinter dem Schicksal des 68 Jahre alten Mannes in Texas ein kaum weniger grundsätzlicher Konflikt.

„Ich schäme mich für meinen Bundesstaat, der Zivilisten, die sich nie etwas zuschulden kommen ließen, einfach hinrichtet“, klagte Jannette Nikolouzos kürzlich einem Reporter des „Houston Chronicle“. Seit Wochen kämpft sie darum, dass ihrem Mann, der nach einer Hirnblutung künstlich beatmet und ernährt werden muss, nicht die lebenserhaltenden Geräte abgestellt werden. Ein Kampf, den Wanda Hudson vor kurzem verlor: Gegen ihren Willen stellte das Kinderkrankenhaus in Houston die Geräte für ihren schwerstbehinderten, sechs Monate alten Sohn Sun ab. Möglich macht das ein Gesetz, dass der heutige Präsident George W. Bush in seiner Amtszeit als Gouverneur von Texas unterzeichnete.

Der so genannte „Advance Directive Act” (Gesetz zur vorauseilenden Verfügung) wurde 1999 vom texanischen Parlament einstimmig verabschiedet – nach heißer Diskussion und mit Unterstützung der religiösen Rechten, die sich eigentlich dem Erhalt des Lebens um jeden Preis verschrieb und jetzt, sechs Jahre später, vehement gegen die Entfernung der Magensonde aus Terri Schiavos Körper agitierte. Auch Bush, der für Schiavo ein Sondergesetz unterzeichnete, bringt die alte Entscheidung in Bedrängnis. Präsidenten-Sprecher Scott McClellan hatte höchste Schwierigkeiten, den Widerspruch zu erklären. Er verwies schließlich darauf, dass die neue Regelung in Wirklichkeit eine Verbesserung sei, weil die Ärzte nun nicht mehr schon nach 72 Stunden den Stecker zögen, sondern den Angehörigen zehn Tage blieben, um eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus zu organisieren.

Das in den USA einmalige Gesetz – nur der Bundesstaat Kalifornien hat eine vergleichbare, aber weniger weit gehende Regelung – erlaubt es dem Krankenhaus, lebenserhaltende Maßnahmen auch gegen den Willen der Angehörigen einzustellen. Dazu müssen bestimmte Prozeduren beachtet werden: Zunächst müssen sich die Ärzte einig sein, dass keine Besserung des Patienten in Sicht ist und die weitere Behandlung keinen Sinn hat. Weigern sich Angehörige, die Geräte abschalten zu lassen, geht ihnen ein einseitiges Formschreiben zu, das sie aufklärt, dass sich nun die Ethik-Kommission der Klinik mit dem Fall befassen werde. Kommt die zum gleichen Schluss wie die Ärzte, können die Angehörigen innerhalb von zehn Tagen ein Krankenhaus finden, das die Behandlung übernimmt. Gelingt das nicht, schalten die Mediziner die Geräte ab.

Ein Gericht kann diese Zehn-Tages- Frist verlängern, wenn Aussicht auf eine Verlegung besteht. Über die Richtigkeit der Entscheidung von Ärzten und Ethik-Kommission darf es nicht befinden. „Texas ist mit diesem Gesetz weit nach vorne geprescht“, sagt der Theologe John Paris vom Boston College. Bislang habe noch keine höhere Gerichtsinstanz über seine Verfassungsmäßigkeit entschieden. Die Befürworter argumentieren, die moderne Medizin neige dazu, das Sterben zu verzögern, anstatt das Leben zu verlängern. Das müsse verhindert werden, notfalls auch gegen den Willen der medizinisch unkundigen Angehörigen.

„Was wir hier wirklich haben, ist ein finanzieller Konflikt, nicht einer um die Ethik“, sagte Anwalt Mario Caballero in einem Interview mit dem Nachrichtensender „FoxNews“. Mit Wanda Hudson und ihrem Sohn Sun vertrat er da einen typischen Fall. Die junge Mutter lebt von der Sozialhilfe, die Kinderklinik blieb auf den hohen Arztrechnungen für ihren zwergenwüchsigen Sohn sitzen. Dass in einer solchen Situation andere Krankenhäuser zögerlich dabei sind, den Patienten aufzunehmen, dürfte kaum verwundern. Anders als Hudson gelang es Jannette Nikolouzos übrigens, die Mittel für eine Verlegung ihres Mannes aufzubringen. Ein Pflegeheim willigte ein, ihn künstlich am Leben zu erhalten. Ihre Hoffnungen sterben erst, wenn das Geld ausgeht.

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