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Diamonds are a girls best friend. Alice und Ellen Kessler im Jahr 1956

© dpa

Die Kessler Zwillinge werden 80: Soldatinnen des Showgeschäfts

In Sachsen geboren, in den Westen rübergemacht und Weltstars geworden: Zum 80. Geburtstag der Entertainerinnen Alice und Ellen Kessler.

Berlin - Sie werden die berühmtesten Zwillinge des Showbusiness genannt. Das ist endlich mal ein Superlativ, der stimmt. Der jedenfalls in der goldenen Starära der Nachkriegszeit gestimmt hat. Und gäbe es das doppelte Lottchen nicht, wären sie schon allein in Deutschland die berühmtesten Zwillinge überhaupt. Alice und Ellen Kessler! Das sind zwei Namen, zwei blonde Pagenköpfe, vier gertenschlanke Beine, die einer von den Fernsehlagerfeuern der sechziger und siebziger Jahre geprägten Kindheit überhaupt erst den Begriff Glamour beibrachten.

Da sagten am Samstagabend die onkeligen Showmaster, die Frankenfelds und Kulenkampffs, die kessen Kesslers immer mit diesem frivolen Glitzern in den Augen an. „Sie tanzen auch im Lido in Paris!“, hieß es immer. Und so, wie das die Herren aussprachen, mit so viel Oho und Aha, musste das ein unfassbar mondäner, märchenhafter, gar verruchter Ort sein.

Gleichzeitig wirkten die häufig in Zylinder und Netzstrümpfen die Showtreppe hinabschwebenden Zwillinge aber so ungemein aprilfrisch. So synchron, präzise, patent – kurz so deutsch, so kein bisschen französisch. Zwei Vamps mit der Ausstrahlung von Arzthelferinnen, nein falsch, mit dem Charisma von Leistungsturnerinnen. Und bei allem professionellen Showgelächele immer gesegnet mit einem natürlichen Gefühl für Diskretion, für Distanz.

Das Showgirl ist eine Sklavin der Rhythmen

Dass das Leben als Showgirl etwas Flirrendes, Halbseidenes sein muss, ist ja sowieso ein irgendwie männlich erzeugtes Missverständnis. Wo doch das Showgirl in seiner Uniformität, Disziplin und Dominanz nichts anderes als eine Sklavin der Rhythmen ist – die Soldatin der Unterhaltungsbranche, wenn man so will. Die am 20. August 1936 in Nerchau in Sachsen geborenen Töchter einer Hausfrau und eines Ingenieurs jedoch traten erfolgreich aus der Chorusline anonymer Schönheiten heraus. Gewissermaßen als tanzende Verdoppelung des deutschen Fräuleinwunders.

Schon in jungen Jahren im Kinderballett der Oper Leipzig in klassischem Tanz unterwiesen und später ebendort Elevinnen der Operntanzschule geworden, haben sie 1952 dann den wirklich entscheidenden Schritt zur Weltkarriere gemacht. Sie sind republikflüchtig geworden. Bei ihrem ersten West-Engagement im Düsseldorfer Palladium hat sie dann der Direktor des berühmten Lidos entdeckt. Und ab ging die mit Shows, Filmen, Konzerten und Musicals gepflastere Weltkarriere der angezogensten Damen in diesem halbnackten Berufsstand.

Dynamisches Duo. Die Zwillinge heute, fotografiert im Bayerischen Hof in ihrem Wohnort München.
Dynamisches Duo. Die Zwillinge heute, fotografiert im Bayerischen Hof in ihrem Wohnort München.

© dpa

Später fiel immer mehr auf, dass sich die beiden offensichtlich ihr ganzes Leben lang verstehen. Und das unter Frauen! Und ohne Mann! Obwohl: Männer hatten sie, aber ja. Und noch mehr Männer wollten sie haben. Am liebsten mit den beiden zugleich ins Bett. Nur haben sie nach eigener Aussage weder diesen feuchten Traum zu- noch einen Mann auf Dauer in Leben und Haushalt gelassen. Ja, darf denn das sein? Gerade in den damaligen Zeiten familiärer Restauration? Na, offenbar. Die in Italien wie in Australien berühmten Kesslers, die in Las Vegas mit Frank Sinatra und mit Dean Martin auftraten, lebten es ja vor.

Ihre Wohnungen in München sind nur durch eine Schiebetür getrennt

Auch, dass aus braven Mädchen in den Augen der Öffentlichkeit nicht automatisch böse werden, wenn sie auch mal Nein statt immer nur Ja sagen. So, wie es Alice und Ellen Kessler bei dem Angebot von Elvis Presley hielten, in seinem Musikfilm „Viva Las Vegas“ aufzutreten.

Selbstständig sein, ihr eigenes Leben leben und zugleich ein Duo sein – das machen die Tänzerinnen, Schauspielerinnen und Sängerinnen seit vielen Jahrzehnten unter einem Dach. Ihre Wohnungen in München-Grünwald sind nur durch eine Schiebetür getrennt. In Berlin waren sie kürzlich erst im Theater des Westens zu sehen. Im Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“.

Ein im Internet anzuschauendes Fernsehinterview, das sie aus dem Anlass gaben, zeigt zwei leicht gelangweilte, aber verbindliche Profis. Schön zu sehen, wie sie auf unvermeidliche Moderatorenfragen lakonische, sich jede Anbiederung verbietende Antworten geben. O-Ton: Haben Sie sich jemals in denselben Mann verliebt? „Nein.“ Was war die längste Zeit, die sie je voneinander getrennt waren? „Sechs Wochen.“ Wie war das? „Toll.“ Aber dann als Nachtrag: „Wir machen viel zusammen, weil wir gemeinsam stärker sind.“ Danke für den 80 Jahre lang gelebten Satz, werte Schwestern!

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