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Panorama: Die Komplizin und Frau eines mehrfachen Mörders steht in Halle vor Gericht - Ihr Mann will sie befreien

"Hohes Gericht", schallt es kurz nach nach neun Uhr morgens durch den überfüllten Saal. "Ich klage die Verkäuferin Sandra Franz, geborene Kornelius, an, unter Androhung von Gewalt fremde bewegliche Sachen weggenommen zu haben.

"Hohes Gericht", schallt es kurz nach nach neun Uhr morgens durch den überfüllten Saal. "Ich klage die Verkäuferin Sandra Franz, geborene Kornelius, an, unter Androhung von Gewalt fremde bewegliche Sachen weggenommen zu haben."

Der Gerichtssaal gilt als der sicherste in Sachsen-Anhalt. Ein Saal, dessen Fenster seit zwei Tagen von der Polizei dauerhaft verdunkelt werden. Ein Trakt, in dem sich Beamte des Spezialeinsatzkommandos mit ihren Knöpfen im Ohr in Justizuniformen vor und hinter die Angeklagte gezwängt haben. Ein Gebäude, vor dem Polizeibeamte mit Maschinenpistolen patroullieren und zu dem die Hauptperson schon 75 Minuten vorher im gepanzerten Mercedes chauffiert worden ist. Und schließlich ein Prozess, für den sich die Angeklagte unter ihrem schwarz-gestreiften Rollkragenpullover eine schusssichere Weste übergestreift hat.

Da klingt es schon komisch, wenn vom "Wegnehmen beweglicher Sachen" gesprochen wird. Die "Sachen", die der Staatsanwalt meint, sind Geldkassetten und haben drei Menschen bei Überfällen das Leben gekostet.

Nun also steht eine junge Frau mit ernstem Gesicht vor Gericht und wird erzählen, wie die Menschen zu Tode kamen. Das jedenfalls hat sie angekündigt. Regungslos sitzt die 23-Jährige zwischen ihren beiden Verteidigern und lässt das Blitzlichtgewitter geduldig über sich ergehen.

Die Richterin nennt die Sicherheitsvorkehrungen diplomatisch "nötig wegen der besonderen Umstände". Die "Umstände" - das ist die Angst vor Norman Volker Franz. Der 30-Jährige ist der Ehemann von Sandra Franz, bereits verurteilt wegen zweier Morde und fieberhaft gesucht wegen drei weiterer Morde. Er ist aus der Haft geflohen. Und: Er hat immer wieder durchblicken lassen, dass er seine Frau aus dem Gefängnis holen will.

Die Geschichte des Ehepaares Franz ist eine Geschichte voller Mysterien. Sandra zählt gerade 16 Jahre und stammt aus einfachen Verhältnissen, als sie Norman Volker Franz kennenlernt. Er sagt ihr, was das Beste für sie sei. Aus Freundschaft wird schnell große Liebe. Die wird auch nicht dadurch erschüttert, dass Franz eines Tages erklärt, sie müssten schnell die Koffer packen. Kurz zuvor war er an einem Doppelmord beteiligt.

Die beiden hetzen mit allem, was sie haben, quer durch Europa. Sie kommen bis Spanien, doch als das Geld alle ist und sie noch einmal zwei Monate in Amsterdam überstanden haben, schlägt die Falle schließlich zu - die Zielfahnder des Landeskriminalamtes Düsseldorf haben sie gefunden.

Franz kommt vor Gericht und wird wegen des zweifachen Mordes zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt. Als ihm im März 1997 der Ausbruch gelingt, begleitet Sandra Franz ihren Mann - zuvor hat sie ihn im Gefängnis geheiratet. Sie flüchten und kommen nach Sachsen-Anhalt. Das, was die beiden dort getan haben sollen, ist Teil der jetzigen Anklage: Die Staatsanwaltschaft wirft der jungen Frau vor, dabei gewesen zu sein, als ihr Mann am 26. März 1997 einen Boten erschoss, der eine Geldkassette trug. Danach sollen beide nach Halle gefahren sein und, eingemietet in Hotels, wochenlang die Fahrtroute eines Geldtransporters für den Metro-Großmarkt erkundet haben. Bei diesem Überfall wurden 487 179 Mark in bar und 22 245 Mark in Schecks erbeutet.

Was folgt, sind eine Flucht nach Portugal, der Kauf eines Hauses an der Algarve, die Geburt des gemeinsamen Sohnes Mike und - am Ende - der Zugriff der Zielfahnder. Franz gelingt erneut der Ausbruch aus der portugiesischen Haft, Sandra Franz wird ausgeliefert. Dass die Frau, die ihren Mann noch immer abgöttisch liebt, nun vor Gericht aussagen will, ist der Liebe zu ihrem Sohn geschuldet. Bei einer Höchststrafe würde sie ihn nach maximal zehn Jahren wiedersehen. Was sie tatsächlich sagt, wenn heute morgen im Hochsicherheitstrakt wieder verhandelt wird, weiß niemand. Nur, dass sie aussagen wird, hat sie gestern nach Anklageverlesung noch einmal versichert. Der Rest ist ungewiss. Genauso wie die Antwort auf die Frage, ob Norman Volker Franz wirklich den Weg nach Halle sucht.

Steffen Reichert

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