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Selbstmord. Ariel Castro erhielt für die jahrelange Entführung, Vergewaltigung und Misshandlung dreier Frauen am 1. August dieses Jahres lebenslänglich.  Foto: Reuters

© REUTERS

Panorama: Die letzte Hölle

Cleveland-Entführer Ariel Castro begeht Selbstmord / Vor einem Monat war er zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Ariel Castro, der bullige Mann mit dem schwarz-grauen Bart im orangefarbenen Gefangenenanzug, war in diesem Sommer auf allen US-Kanälen. Während im Juni und Juli nur hin und wieder ein Bild des zu dem Zeitpunkt auf dem Moskauer Flughafen gestrandeten NSA-Enthüllers Edward Snowden in den amerikanischen Fernsehnachrichten auftauchte, bewegte die Geschichte des ehemaligen Busfahrers aus Cleveland in Ohio, wie er mal ernst, mal fast unbeteiligt im Gerichtssaal saß, die Öffentlichkeit. Am Mittwoch flimmerten die Szenen noch einmal über die Bildschirme. Ariel Castro, der Entführer und Vergewaltiger, das „Monster von Cleveland“ ist tot, erhängt aufgefunden in seiner Gefängniszelle. Die Behörden gehen von Selbstmord aus.

Es war am 6. Mai dieses Jahr, als zwei Nachbarn aus dem Haus in Cleveland laute Hilferufe hörten. Die beiden Männer näherten sich dem Haus, in dem Castro, dessen Frau sich schon vor langer Zeit von ihm getrennt und die gemeinsamen Kinder mitgenommen hatte, allein lebte. Was sie dort hörten, ist durch den Prozess gegen Ariel Castro inzwischen um die Welt gegangen. Hinter der verschlossen Haustür berichtete ihnen eine angsterfüllte Frau, sie und ihre Tochter seien hier gefangen. Die Männer traten die Tür ein, befreiten die Frau und das kleine Mädchen. Im Inneren entdeckten sie anschließend noch zwei weitere junge Gefangene.

Die drei Frauen waren, damals je 14, 16 und 20 Jahre alt, zwischen 2002 und 2004 verschwunden. Viele glaubten sie längst tot. Alle waren sie Bekannte von Castros Kindern. Allen dreien hatte er an dem Tag ihrer Entführung zunächst angeboten, sie in seinem Auto mitzunehmen, sie dann unter einem Vorwand in sein Haus gebeten und dort dann gefangen genommen. Im Haus hielt er sie, wie der Prozess ergab, teilweise gefesselt. Er vergewaltigte sie wieder und wieder. Mutmaßlich fünf Schwangerschaften beendete Castro durch brutale Tritte und Aushungern. Ein Kind kam als Gefangene zur Welt.

Im Prozess präsentierte ein Ermittler ein Modell des Hauses, das manche Beobachter beschrieben, es habe aus der einen Perspektive ausgesehen wie ein Puppenhaus. Im Inneren allerdings fanden die Ermittler zwei abgedichtete Räume, in denen die drei Frauen zeitweise in Ketten gehalten wurden. Als Toiletten dienten Plastikbehälter, einmal am Tag gab es Nahrung. Die Hitze des Dachbodens und die Kälte des Kellers benutzte Castro demnach als Strafmaßnahme.

Am Tag der Befreiung hatte der Entführer allem Anschein nach vergessen, Türen im Inneren seines Hauses, hinter denen die Frauen stets gefangen waren, zu verschließen. Nur dadurch hatte eines der Opfer nach einem Jahrzehnt der Gefangenschaft überhaupt die Chance, von außen gehört zu werden. Castro, dessen beide Brüder zunächst auch verdächtigt worden waren, an der Entführung beteiligt gewesen zu sein, wurde kurz nach der Entdeckung festgenommen. Am 1. August verurteilte das Gericht ihn zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne die Chance auf Bewährung und zusätzlich zu 1000 Jahren Haft. Castro hatte ein Geständnis abgelegt, um der Todesstrafe zu entgegen.

In der Nacht zu Mittwoch, nur einen guten Monat nach seiner Verurteilung, fanden Gefängnismitarbeiter Castro erhängt in seiner Zelle im Gefängnis in Orient in Ohio. Man habe versucht ihn wiederzubeleben, bevor er ins Krankenhaus gebracht wurde. Dort stellten die Ärzte seinen Tod fest. Auch erste Ergebnisse einer am Mittwoch früh durchgeführten Autopsie zeigten, berichtete am Mittwoch „USA Today“, dass Castro Selbstmord begangen habe. Weitere Test würden aber durchgeführt, sagte die zuständige Gerichtsmedizinerin demnach.

Castro war wegen der Aufmerksamkeit für seine Tat im Gefängnis unter besonderer Beobachtung und von den anderen Gefängnisinsassen isoliert, alle 30 Minuten wurde seine Zelle kontrolliert. Allerdings galt er nicht als selbstmordgefährdet – was eine permanente Überwachung bedeutet hätte.

Am Ende des Prozesses hatte eines der Opfer erzählt, wie sie jede Nacht ihrer Gefangenschaft geweint habe. Die Tage seien nie kürzer geworden, Tage seien in Nächte übergegangen, Nächte in Tage. „Du hast mir elf Jahre meines Lebens gestohlen“, sagte sie zu ihrem Peiniger am Schluss. „Ich habe elf Jahre in der Hölle verbracht. Jetzt beginnt deine Hölle.“

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