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Panorama: Die Mafia gerät außer Tritt

ROM .Der altbayerische Räuber Matthias Kneißl soll, als er an einem Montag zur Hinrichtung geführt wurde, geseufzt haben: "Die Woche fängt ja schon gut an.

ROM .Der altbayerische Räuber Matthias Kneißl soll, als er an einem Montag zur Hinrichtung geführt wurde, geseufzt haben: "Die Woche fängt ja schon gut an." Mit Gelassenheit hat sich am Neujahrsmorgen auch Carmine Giuliano mit dem anerkennenden Spitznamen "Der Löwe" von 50 Polizisten wegbringen lassen.Der Camorra-Clanchef war gerade wieder in seinem Versteck im Zentrum von Neapel verschwunden, nachdem er und die Seinen mit vielen Böllern und wilden Hoffnungen auf den Straßen das neue Jahr begrüßt hatten.

Die durchsuchenden Beamten waren mißtrauisch geworden, als sie in Giulianos Luxushaus auf wackelnde Bodenplatten traten.Darunter fanden sie in einem engen Verlies den "Löwen", den sie nun in einem anderen Käfig unter ihrer strengen Aufsicht haben.Am Tag danach wurde sein Bruder Guglielmo festgesetzt."Ein Clan in 24 Stunden enthauptet", hieß es in den italienischen Zeitungen.Das Jahr fängt ja schon gut an.

Und das alte war auch nicht anders.Die Mafia in ihren verschiedenen italienischen Varianten - etwa die neapolitanische Camorra oder die sizilianische Cosa Nostra - hat große Verluste an Menschen und Material zu ertragen.Die Revierkämpfe verursachen viele Mordopfer unter den verfeindeten Clans - und auch mal auch unter zufälligen Passanten.Alle paar Tage werden etliche Mafiosi verhaftet und mobile sowie immobile Güter von immensen Werten beschlagnahmt.Keine Frage, die Mafia ist außer Tritt geraten.Weniger gefährlich ist sie deswegen nicht - zumal neue Generationen, moderne Methoden und andere Regionen der Organisierten Kriminalität eine Hochkonjunktur erleben.

Fahnder und Staatsanwälte freuen sich riesig über ihre Jagderfolge; die Nachrichten darüber aber sehen und lesen sie mit gemischten Gefühlen.Sie haben Angst, daß die öffentliche Wachsamkeit nachlassen könnte.Übrigens, auch die Aufmerksamkeit und Konzentration mancher schwerer Jungs schwindet nach Jahren im Untergrund.

In der vergangenen Woche vergaß ein Mafioso seine Zigaretten, bevor er vor einer Polizeikontrolle in seinem Geheimversteck auf dem Dachboden verschwand.Hier oben Zigaretten? Das fanden die Beamten seltsam, suchten nach und fanden den Raucher, dem durch seine Passion ein ungewöhnlicher Schaden entstanden und das neue Jahr verkorkst worden ist.Ein anderer büßt jetzt nicht für blauen Dunst, sondern immerhin für seine Liebe.Ein lange Gesuchter, der unbedingt heiraten wollte, ließ sich die entsprechenden Dokumenten an seinen griechischen Zufluchtsort nachsenden.Das war das Ende der Freiheit - erst mal nicht in der Ehe, sondern im Knast.

Die Mafia ist auch nördlich der Alpen beunruhigend nah vor der Haustür.Vielleicht wird sie gerade deshalb gern weit weg als ein Kinostück aus dem Wilden Süden angesehen.Sie wird wahrgenommen, wenn wie in einem TV-Dreiteiler geschossen wird.Wenn nicht, hat der Film gerade Pause - scheinbar.Denn nicht über alle Morde wird in den Medien berichtet.Etwa die Schießereien rivalisierender Clans von Neapel - jährlich über 100 Tote, die vorerst letzten beiden am Dienstag - werden kaum registriert.Anders dagegen die fünf Mordopfer aus dem sizilianischen Vittoria: Die Tat erschreckte alle Welt am vergangenen nachrichtenarmen Wochenende.Die italienische Regierung berief eine Sitzung von Experten ein.Das Ergebnis: weitermachen wie bisher - nicht mehr und vor allem nicht weniger.

ROMAN ARENS

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