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Panorama: Die Mode geht zum Zelt

Bei der Fashion Week in New York zeigt sich ein Trend zu tragbarer Kleidung

Ein bisschen Hysterie gehört in der Mode einfach dazu. Wie sonst soll man darüber in Aufregung geraten, dass Marc Jacobs ein Kleid auf den Laufsteg schickt, das aussieht wie ein auf den Boden geworfener Stapel Papier? Das Epizentrum der Hysterie war in der vergangenen Woche in New York ein weißes Zelt, mitten in Manhattan im Bryant Park. Rund um das nur „The Tent“ genannte weiße Gebilde stehen kleine metallene Tische und Stühle. Dort nehmen Geschäftsleute aus den Hochhäusern in der Nachbarschaft ihr Mittagessen aus mitgebrachten Papiertüten zu sich und scheinen sich nicht weiter für das zu interessieren, was im Inneren des Zeltes geschieht. Jede Menge Frauen mit riesigen Taschen – als wollten sie das Wochenende hier verbringen – stehen in langen Reihen vor bulligen Sicherheitskräften und befragen sich gegenseitig, welche neuen Trends sie entdecken konnten.

Das ist in New York immer ein wenig schwieriger als in Paris, wo die großen Modehäuser wie Dior, Balenciaga und Chanel ihre ausgefallenen Entwürfe präsentieren. Eine der Devisen der amerikanischen Mode lautet nämlich: Tragbar bleiben. Und das sind die Kollektionen für nächstes Frühjahr definitiv. Galt für diesen Herbst noch, so viel Stoff wie möglich zu so viel Volumen wie möglich zu verarbeiten, nähern sich die Designer nun wieder dem Körper an.

Die 80er-Jahre lassen grüßen: Ob beim Designerduo Proenza Schouler, das mit einer Mischung aus cleaner Surfer- und Collegemode überzeugte, oder bei Diesel, dem italienischen Modeunternehmen, das zum wiederholten Mal beweist, dass es längst mehr als eine Jeansmarke ist. Hier wurde beispielsweise der Bund einer sehr engen Jeans fast bis unter die Brust verlängert und mit einem aufgeplusterten Blouson, der sich wie eine Tulpe kurz vorm Verwelken auffächert, kombiniert.

Die Kollektion, die der Altmeister der japanischen Designeravantgarde,Yohji Yamamoto, für die deutsche Sportmarke Adidas entwarf, wurde in einem Hafengebäude direkt am Hudson River gezeigt. Auch wenn auf vielen Kleidungsstücken die drei Streifen als Erkennungszeichen leuchten und die Inspiration eindeutig immer noch vom Sportplatz kommt: Yamamoto schafft es, Trainingsjacke, Jogginghose und Tenniskleid in absolut begehrenswerte Modestücke zu verwandeln.

Aber den Höhepunkt der Fashion- Week-Hysterie löste der amerikanische Designer Marc Jacobs aus. Bei seinen Schauen brachen Zuschauerinnen wie Schauspielerin Mischa Barton oder Regisseurin Sofia Coppola eine der goldenen Regeln der Mode, die da lautet: „Trage niemals Kleidung des Designers, auf dessen Show du gerade bist.“ Überhaupt ist die Liste der A-Prominenz, die es sich in dieser Woche in der ersten Reihe bequem machte, nirgendwo anders so lang: Von Demi Moore über Scarlett Johansson und Orlando Bloom bis zu Kevin Costner, ganz Hollywood wollte die Mode fürs Frühjahr sehen. Marc Jacobs lenkte die Konzentration mit seiner hellen und romantisch angehauchten Kollektion trotzdem auf die Mode. Dafür verbraucht er eine Menge Kleidungsstücke: Unter einer kurzen Bikerjacke ein langes T-Shirt, am Saum mit mehreren Lagen Volants versehen, darunter schaut ein langer gepunkteter Rock hervor, die unterste Schicht besteht aus einer Art langen Männerunterhose – die Models hatten einiges anzuziehen.

Auch der hoch gelobte Designer Francisco Costa, der der Frauenlinie des amerikanischen Modehauses Calvin Klein in den vergangenen zwei Jahren zu neuem Ansehen verhalf und dafür als US-Designer des Jahres ausgezeichnet wurde, schichtet seine Kleider – allerdings viel subtiler, fast ein wenig zu kunsthandwerklich: Über engen, vor allem schwarzen und cremefarbenen Kleidern mit abgesteppten grafischen Mustern kombiniert Costa weite, kunstvoll plissierte und in origamiartige Falten gelegte Chiffonkleider. Der Eindruck dieser zarten Entwürfe verwehte beim Anblick von durchlöcherten beigefarbenen Ledermänteln oder einem schwarzen Kleid, das mit schräg gelegtem Stoff delikat und gleichzeitig sportlich um den Körper drapiert wird.

Dass nur eine Woche zuvor alle Aufmerksamkeit auf dem fünften Jahrestag des Attentats vom 11. September lag, rief das Label dann zur Aftershowparty in Erinnerung: Gefeiert wurde im 54. Stockwerk des gerade fertiggestellten World- Trade-Turms Nr. 7 mit Blick auf die dunkle Baustelle des Ground Zero. Eine seltsame Kulisse für eine Modeparty.

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