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In Trümmern. Wie diese Kinder haben viele in der Region alles verloren.

© AFP

Die nächste Katastrophe: Zwei Erdbeben binnen einer Woche erschüttern Pakistan

Sie wollen aufräumen, doch dann bebt die Erde schon wieder. Pakistan kommt nicht zur Ruhe. Nun wächst die Angst, dass der nächste Erdstoß eine der Mega-Städte in Südasien treffen könnte.

Verzweifelte Menschen suchten in den Trümmern noch nach ihren verschütteten Liebsten, da schlug die Natur erneut zu. Nur vier Tage nach dem gewaltigen Erdbeben wurde Pakistans südwestliche Provinz Belutschistan am Wochenende wieder von heftigen Erdstößen erschüttert. Nach Angaben von Experten erreichte das Beben eine Stärke von 6,8 auf der Richterskala, pakistanische Medien sprachen sogar von 7,2. Das Epizentrum befand sich knapp 100 Kilometer nordöstlich des Bezirks Awaran. Viele glaubten zunächst, dass es sich um ein Nachbeben handelt, doch Experten sind anderer Meinung. „ Es war ein unabhängiges Erdbeben“, sagte Zahid Rafi, Direktor vom Seismologischen Zentrum Pakistans.

Das neue Beben erschwerte die Bergungsarbeiten weiter. Wie viele Menschen starben, ist noch nicht bekannt. Selbst die Behörden hatten am Wochenende noch keinen genauen Überblick über die Lage. „Das Telefonnetz ist beschädigt. Wir sind nicht in der Lage, mit jemanden zu sprechen und genaue Informationen zu erhalten. Aber wir haben Berichte über massive Schäden“, sagte der stellvertretende Bezirkschef von Awaran, Abdul Rasheed Baloch. Die Erdstöße lösten erneut Panik aus. In Awaran flohen einhundert Patienten in Angst aus dem örtlichen Krankenhaus. In Quetta, der Hauptstadt Belutschistans, rannten Menschen aus ihren Häusern und Büros. Auch die Sitzung des Parlaments musste unterbrochen werden. Bis in die Hafenmetropole Karachi in der Provinz Sindh waren die Ausläufer zu spüren.

"Tickende Zeitbombe"

Die kurzen Abstände, in denen die Beben aufgetreten sind, schüren nun die Angst vor weiteren Katastrophen. Tatsächlich bezeichnen Experten das Gebiet als „tickenden Zeitbombe“. Der sehr aktive, 900 Kilometer lange Chaman-Graben verläuft dort entlang. Und die jüngsten Erdbeben könnten nur die Vorläufer eines größeren Bebens in der 900000 Einwohner zählenden Stadt Quetta sein, warnte der Geologieprofessor Din Muhammad Kakar von der Universität Belutschistan. Unter der Region scheuern die Eurasische, Arabische und Indische Platte aneinander. Der Chaman-Graben bewege sich jedes Jahr um acht bis zehn Millimeter, sagt der Professor. Dadurch baue sich ein gewaltiger Druck auf, der sich zuletzt 1935 in einem verheerenden Erdbeben in Quetta entladen habe.

Erst am Dienstag hatte die Region das schwerste Beben seit 2005 erlebt. Mindestens 400 Menschen wurden getötet, hunderte verletzt. Die Erdstöße waren in ganz Südasien zu spüren. Im flachen Wasser vor der Hafenstadt Gwadar bildete sich sogar eine neue Insel. Zehntausende Häuser und Lehmhütten fielen in sich zusammen. Hunderttausende Menschen übernachten seit Tagen im Freien, ohne Schutz vor der Hitze. Es fehlt an sauberem Trinkwasser. Die lokalen Hospitäler sind überfüllt

Es mangelt an Medikamenten, Verbandszeug und Personal, um die zahlreichen Verletzten zu behandeln. Die Arme Truppen hat in die Region entsandt. Doch die Hilfe kommt in dem bergigen Terrain nur mühsam voran, weil Wege und Straßen schlecht sind. Viele Dörfer sind so abgeschieden, dass sie kaum mit Autos oder Lastwagen zu erreichen sind. Belutschistan ist die rückständigste Region des Landes. Erschwert werden die Rettungsarbeiten zudem durch Rebellen, die wiederholt Hilfstransporte und Hubschrauber mit Raketen beschossen. In der Region sind nicht nur Teile der Taliban beheimatet. Zugleich toben blutige Aufstände gegen die Regierung.

Die wenigsten Gebäude sind erdbebensicher

Belutschistan ist etwa so groß wie die Schweiz, aber mit nur elf Millionen Menschen eher dünn besiedelt. Auch deshalb verlief das Beben noch relativ glimpflich. Anders sah das im Jahr 2005 aus, als ein Erdbeben das geteilte Kaschmir traf. Damals kamen allein in Pakistan über 84 000 Menschen ums Leben, weitere 1300 in Indien.

Insgesamt scheinen sich Erdbeben in den vergangenen Jahren zu häufen. Nicht selten sind sie bis nach Delhi oder in andere Metropolen spürbar und lassen auch dort die Häuser zittern. Dies nährt Ängste, dass früher oder später auch eine der völlig überbevölkerten Mega-Städte Südasiens direkt von einem Beben betroffen sein könnte.

Weil Bauland knapp ist, setzen fast alle südasiatische Metropolen zunehmend auf Hochhäuser. Doch die wenigsten Gebäude sind erdbebensicher. Viele Häuser sind derart marode und hingepfuscht, dass sie nicht selten sogar von alleine einstürzen – wie nun in der indischen Finanz- und Filmmetropole Mumbai, wo ein eingestürztes Haus mindestens 50 Menschen unter sich begrub.

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