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Panorama: Die Täter lassen sich nicht abschrecken

Bis zu zehn Jahre Haft sieht der deutsche Gesetzgeber für Missbrauch vor – doch die Strafen kümmern die Kinderschänder wenig

Es ist das vielleicht größte Tabu in Deutschland. Natürlich, Kindesmissbrauch wird bestraft, verurteilt, gebrandmarkt, es gibt Fernsehreportagen und Magazinserien, Selbsthilfe- und Betroffenengruppen. Aber das ändert wenig an der Realität: 200 000 Kinder müssen Jahr für Jahr darunter leiden, schätzen Experten, nur rund 16 000 Fälle werden registriert. Die meisten davon in der Familie, unter Verwandten oder guten Bekannten.

Sie nennen sich „Pädos“ und sehen sich oft als Opfer einer verklemmten Sexualmoral. Zehntausende soll es in Deutschland geben – Männer, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Die Pädophilen leben in allen Schichten der Gesellschaft, sind in allen Altersgruppen vertreten. Gewalt ist selten im Spiel. Die Männer suchen vielmehr häufig nach Bindung, nach „ihrem“ Kind. Manchen ist es gleichgültig, ob Junge oder Mädchen, den meisten aber nicht. Viele arbeiten in Berufen oder Ehrenämtern, in denen sie Kindern nah sein können.

Pädophile haben die Gabe, sich in Kinder einzufühlen, und werben geschickt um deren Freundschaft. Nach häufigen Kontakten und gemeinsamen Unternehmungen ist es zur Sexualität nur ein kleiner Schritt. Meist wehren sich die Kinder nicht. Pädophile Täter deuten das als Einverständnis. Tatsächlich steht oft die Angst dahinter, den erwachsenen „Freund“ nicht zu verlieren.

Über die Ursachen der Neigung und ihre Einordnung als sexuelle Abweichung streiten die Wissenschaftler. Sicher ist nur, dass sich die Veranlagung, so sie nicht genetisch ist, früh entwickelt. Jungen, die später Pädophile werden, wurden nicht selten in ihrer eigenen Kindheit missbraucht.

Sexuelle Handlungen an Kindern werden, entgegen landläufiger Meinung, hart bestraft. Das Gesetz sieht einen Rahmen von bis zu zehn Jahren Haft vor. Dabei schließt „Handlung“ auch etwa das Vorzeigen pornographischer Schriften ein, allerdings sinkt dann die höchstmögliche Strafe auf fünf Jahre. Die Richter schöpfen diesen Spielraum immer mehr aus. Auch Ersttäter werden gelegentlich zu Strafen jenseits der Bewährungsgrenze von zwei Jahren verurteilt, selbst wenn der Kontakt über Berührungen nicht hinausgekommen ist.

Die Bundesregierung will das Strafrecht weiter verschärfen, gerade angesichts der Verbreitung von Kinderpornos im Internet. Der Union geht das nicht weit genug. Sie will vor allem die Mindeststrafen anheben. Missbrauch soll immer ein „Verbrechen“ und folglich mit mindestens einem Jahr Haft bedroht sein. Deshalb stockt das Gesetz, wo so vieles stockt: Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

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