zum Hauptinhalt
Arbeit am Image: Gulnara Karimowa bei der Präsentation ihres Modelabels „Guli“ in Moskau. Foto: Sergei Ilnitsky/pa/dpa

© picture alliance / dpa

Panorama: Die Töchter des Diktators

Glamour, Geldgier und dunkle Geschäfte bestimmen das Bild der Familie des usbekischen Herrschers Jetzt tobt ein offener Machtkampf um das Erbe von Islam Karimow.

Sie tritt als Popsängerin auf, versucht sich mit Stars zu umgeben und hat ihr eigenes Modelabel: Gulnara Karimowa, die Tochter des usbekischen Diktators Islam Karimow, liebt das Leben der Reichen und Schönen und arbeitet seit Jahren sorgsam an ihrem Jetset-Image. Gemeinsam mit dem französischen Schauspieler Gérard Depardieu sang die 41-Jährige, die unter dem Namen „Googoosha“ auftritt, ein russisch-französisches Duett (und es erfordert eiserne Disziplin, das Lied bis zum Ende anzuhören). Sie holte Sting für ein Konzert nach Taschkent und war Botschafterin bei den UN in Genf.

Doch diese sorgsam aufgebaute Fassade bekommt mehr und mehr Risse. In dieser Woche sagte die Sängerin Lara Fabian einen Auftritt in Taschkent ab, weil sie kein Aushängeschild für eine Diktatur sein wollte. Die New Yorker Fashion Week ließ bereits vor zwei Jahren die geplante Schau von Karimowas Modelabel „Guli“ nach öffentlicher Kritik platzen. Den Botschafterposten verlor die Tochter des Diktators im Juli – und nun bezichtigt sie in aller Öffentlichkeit ihre Schwester Lola und auch ihre Mutter der Hexerei.

Das alles könnte man als Frage von Geschmack und Geschmacklosigkeit abtun, ginge es nicht in Wirklichkeit um viel mehr als um zwei reiche, gelangweilte Töchter. Denn der Vater, Islam Karimow, wird von Menschenrechtsgruppen zu den schlimmsten Diktatoren der Welt gezählt. Politische Gegner sitzen hinter Gittern, in den Gefängnissen wird gefoltert. Auf den Baumwollfeldern, der wichtigsten Einnahmequelle des Landes, mussten Kinder und Jugendliche Jahr für Jahr Zwangsarbeit leisten. Wer Usbekistan auch nur für kurze Zeit verlassen will, braucht ein Visum, das ihm die Ausreise erlaubt. In der Stadt Andischan eröffneten Sicherheitskräfte im Jahr 2005 das Feuer auf Demonstranten. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute unbekannt, doch Beobachter gehen davon aus, dass mindestens 500 Menschen getötet wurden. Die Karimow-Töchter traten in den vergangenen Jahren als offizielle Vertreterinnen des Regimes auf, Gulnara Karimowa bei den UN, ihre jüngere Schwester Lola Karimowa-Tilljajewa (35) als Botschafterin ihres Landes bei der Unesco in Paris. Gulnara ließ sich in einem PR-Interview als „Prinzessin von Usbekistan“ feiern – und sie deutete Ambitionen auf die Nachfolge ihres Vaters an. Der Gesundheitszustand des 75-Jährigen, der das Land seit der Unabhängigkeit 1991 regiert, gab bereits Anlass für Spekulationen. Tatsächlich wäre es im Interesse der Töchter, den künftigen Staatschef auf ihrer Seite zu wissen. Denn Usbekistan ist neben Aserbaidschan ein besonders krasses Beispiel von Bereicherung durch die herrschende Familie. Beide Töchter sollen über ein Wirtschaftsimperium verfügen, ihr Vermögen wird auf mehrere hundert Millionen Dollar geschätzt.

Ein US-Diplomat beschrieb Gulnara im Jahr 2005 so: „Die meisten Usbeken sehen Karimowa als gierige, machthungrige Person, die ihren Vater benutzt, um Geschäftsleute oder jeden anderen, der ihr im Weg steht, zu vernichten.“ Sie sei eine „Räuberbaronin“ und die „meistgehasste Person des Landes“, heißt es in der von Wikileaks veröffentlichten Depesche der US-Botschaft Taschkent. Um ihr Image zu verbessern, engagiert sich Gulnara ähnlich wie ihre Schwester Lola für wohltätige Zwecke – und versucht im sozialen Netzwerk Twitter Werbung in eigener Sache zu machen.

Doch mittlerweile ist ihr Image mehr als angekratzt: In Schweden und der Schweiz wird wegen Korruption und Geldwäsche ermittelt, und ihr Name taucht dabei immer wieder auf. Denn mit Karimowa persönlich sollen Manager des schwedischen Mobilfunkanbieters TeliaSonera direkt verhandelt haben. Die Firma zahlte nach Recherchen schwedischer Journalisten für Mobikfunklizenzen in Usbekistan 250 Millionen Euro Schmiergeld an eine Briefkastenfirma in Gibraltar, hinter der wiederum Karimowa stehen soll. Deswegen wurden im Juni ihre luxuriöse Villa im französischen Saint Tropez sowie ihre Wohnung in Paris durchsucht. „Wir brauchen Saint Tropez nicht“, man könne auch so Spaß haben, verkündete Karimowa wenig später betont unbekümmert auf Twitter. Da sie nicht mehr Botschafterin ist, hat sie auch keine diplomatische Immunität mehr – damit könnte gegen sie ermittelt werden.

Nur wenig später verriet ihre Schwester Lola Karimowa-Tilljajewa in einem BBC-Interview, dass sie den Kontakt zu Gulnara schon vor zwölf Jahren abgebrochen habe. Außerdem bescheinigte sie der großen Schwester nur geringe Chancen auf das Präsidentenamt und distanzierte sich indirekt vom harten innenpolitischen Kurs ihres Vaters. Die große Schwester antwortete auf ihre Weise: Lola sei destruktiv und „mit Zauberern befreundet“, behauptete sie – und brachte später sogar ihre Mutter mit Hexerei in Verbindung. Ein Machtkampf in der Herrscherfamilie? Möglicherweise ist Gulnara mit diesen Vorwürfen selbst aus Sicht des Vaters zu weit gegangen. Am Montag wurden drei Fernsehsender, die sie kontrolliert, vorerst abgeschaltet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false