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Panorama: Die Unglücksmaschine hatte nur zwei Triebwerke, gilt aber eigentlich als sicher

Obwohl sie nur mit zwei Triebwerken ausgestattet ist, hat sich die Boeing 767 mit ihrer extremen Reichweite von bis zu 11 000 Kilometern insbesondere im Interkontinentalverkehr bewährt. Obendrein erwies sich das Modell, dessen Prototyp 1981 zum Jungfernflug startete, in den 17 Jahren seit seiner Einführung in den Liniendienst als extrem zuverlässig.

Obwohl sie nur mit zwei Triebwerken ausgestattet ist, hat sich die Boeing 767 mit ihrer extremen Reichweite von bis zu 11 000 Kilometern insbesondere im Interkontinentalverkehr bewährt. Obendrein erwies sich das Modell, dessen Prototyp 1981 zum Jungfernflug startete, in den 17 Jahren seit seiner Einführung in den Liniendienst als extrem zuverlässig. So ist der Einsaz der sogenannten "Twinjets" über die Ozeane längst eine Selbstverständlichkeit. Der Sprecher der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit, Bernd Bockstahler, sprach gestern abend von einem "problemlosen und praktikablem Verfahren".

Gerade die Boeing 767 und später auch der Airbus A310 waren es, die den interkontinentalen Flugverkehr auch außerhalb der großen Rennstrecken revolutioniert haben. Nachdem die relativ kleinen, vierstrahligen Langstreckenmaschinen der ersten Generation ausgemustert wurden, dominierten über Atlantik und Pazifik die Großraumjets mit drei oder vier Triebwerken, der "Jumbo-Jet" Boeing 747, die Douglas DC-10 und der Lockheed "TriStar". Wegen der großen Kapazität dieser Modelle lohnte sich der Einsatz nur auf Routen mit sehr hohem Passagieraufkommen. Erst mit der Einführung einer neuen Generation von Twinjets standen Anfang der 80er Jahre kleinere Flugzeuge mit entsprechender Reichweite zur Verfügung. Doch mit nur zwei Triebwerken über den Atlantik, konnte man das wagen?

Bevor die Freigabe erteilt wurde, mußte die Triebwerke ihre Zuverlässigkeit im Einsatz unter Beweis stellen. Erst dann erteilten die Behörden die Genehmigung für die "Extended Twin Operations" (ETOPS). Die israelische ElAl machte 1984 mit der Boeing 767 den Anfang, ein Jahr später folgten Air Canada und die amerikanische TWA. Nach der sogegannten 120-Minuten-Regel durften die Jets nie mehr als zwei Flugstunden vom nächsten Flughafen entfernt sein, was auf der Nordatlantikroute dank entsprechender Airports auf Island und Grönland kein Problem ist. Diese Distanz können die Maschinen im Notfall mühelos auch mit nur einem Triebwerk zurücklegen, der Ausfall beider Düsenaggregate gilt mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als eins zu einer Milliarde als praktisch ausgeschlossen.

So gibt es nur zwei Fälle, in denen bei einer Boeing 767 im Flug beide Triebwerke ausfielen. Weil das Bodenpersonal die Restmenge in den Tanks versehentlich in englischen Pfund und nicht in Kilogramm berechnet hatte, war 1983 ein Jet der Air Canada in Montreal unzureichen betankt worden. Da die Piloten obendrein vorschriftswidrig trotz ausgefallener Tankuhr gestartet waren, versagten während des Reisefluges in 10 000 Metern Höhe beide Turbinen durch Spritmangel ihren Dienst. Doch selbst in dieser Situation bewies die Boeing 767 ihre Zuverlässigkeit. Im Segelflug gelang es der Crew, sicher auf einem 83 Kilometer entfernten, stillgelegten Militärflugplatz zu landen.

125 der 175 Menschen an Bord starben dagegen, als eine 767 der Ethiopian Airlines 1996 nahe der Komoreninsel Moroni ins Meer stürzte. Die Maschine hatte sich während einer Entführung auf einem Irrflug befunden, bei dem schließlich der Treibstoff ausgegangen war. Völlig andere Ursachen hatte am 26. Mai 1991 der Absturz einer Maschine der österreichischen Lauda Air kurz nach dem Start in Thailand. 223 Menschen fanden den Tod, nachdem sich die nur zum Bremsen am Boden genutzte Schubumkehr eines Triebwerkes aktiviert hatte. Umbauten verhindern inzwischen eine ungewollte Auslösung des Systems im Flug.

In anderthalb Jahrzehnten haben die bisher knapp 800 ausgelieferten Boeing 767-Twinjets bei 66 verschiedenen Luftverkehrsgesellschaften rund 1,26 Millionen ETOPS-Flüge absolviert. Täglich sind 600 Maschinen dieses Typs über den Ozeanen der Welt unterwegs. Monat für Monat pendeln die "Twinjets" mehr als 11 000 mal zwischen den USA und Europa. Und haben sich dabei als zuverlässiger als ihre mehrstrahligen Konkurrenten erwiesen. So belegt die Statistik, dass die Zahl der Flüge, die wegen eines Defektes zum Ausgangsort zurückkehren oder einen Ausweichflughafen ansteuern müssen, bei Maschinen mit vier Triebwerken deutlich höher liegt. Nach einer Boeing-Statistik kam bisher eine Triebwerksstörung auf etwa 70 000 Flüge. So wurde die Mindestentfernung zum nächsten Flughafen unter bestimmten Voraussetzungen längst auf drei Flugstunden erhöht, wird eine weitere Ausdehnung angestrebt. Und erst am 9. Oktober startete die vergrößerte Version 767-400ER (Extended Range) zum Jungfernflug.

Am 17. Juli 1996 starben 230 Menschen, als eine Boeing 747 der Trans World Airlines kurz nach dem Start vom New Yorker Kennedy-Airport auf dem Weg nach Paris nach einer Explosion vor der Küste von Long Island ins Meer stürzte. Die Unfalluntersuchung dauert an, als wahrscheinlich gilt, das sich Kerosingase im ungefüllten, mittleren Treibstofftank aus noch ungeklärter Ursache entzündet haben. 229 Tote forderte am 2. September 1998 der Absturz einer McDonnell Douglas MD-11 der Swissair in den Atlantik. Auf dem Weg von New York nach Genf war an Bord ein Brand ausgebrochen war, die Crew hatte vergeblich noch eine Notlandung im kanadischen Halifax versucht.

Rainer W. During

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