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Das industrielle Herz des Landes und große Teile Bangkoks stehen unter Wasser. Foto: Reuters

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Panorama: Die Wirtschaft geht unter

Ein Berliner Unternehmer kämpft um seine Fabrik in Thailand – sie stellt Tauchanzüge her

Berlin/Bangkok - Für Wolfgang Dressler ist es zum Verzweifeln. Sein Unternehmen Aquata aus Velten nördlich von Berlin lässt in Thailand Spezialkleidung für Tauchbedarf und Rettungsanzüge für Schiffsbesatzungen produzieren. Doch seitdem die Flut vor gut zwei Wochen das große, etwa 30 Kilometer nördlich von Bangkok gelegene Industriegebiet vollständig unter Wasser gesetzt hat, stehen die Maschinen von Aquata still. Unternehmer Dressler könnte jetzt selbst einen seiner Spezialanzüge gebrauchen. „Das ist ja das Verrückte“, sagt der Aquata-Geschäftsführer.

Die Überschwemmungen in Thailand bedrohen nicht nur die Existenz von Aquata, das die Produktion mit seinen 80 bis 100 Beschäftigten nicht einfach an einen anderen Standort verlagern kann. „15 000 Firmen stehen unter Wasser“, sagt Dressler. Insgesamt 180 000 Menschen, die in Thailands größtem und ältestem Industriegebiet arbeiten, sind momentan ohne Arbeit. In der 25 Quadratkilometer großen Freihandelszone produzieren auch zahlreiche Hersteller der Computer- und Automobilindustrie.

Wegen der Flutkatastrophe kommt es nun in zahlreichen Branchen zu Lücken in der Produktionskette. Daniel Mauerhofer vom US-Hersteller Western Digital erwartet, dass die globale Versorgung mit Festplatten bis ins nächste Jahr hinein beeinträchtigt sein wird. „Es wird mehrere Quartale dauern, bis sich die Zulieferkette wieder normalisiert hat.“ Der drittgrößte japanische Autobauer Honda griff wegen der Produktionsausfälle zu einem drastischen Mittel und zog seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr bis Ende März 2012 zurück. Die thailändische Regierung kündigte unterdessen ein Programm im Umfang von rund 30 Milliarden Euro an, mit dem der Wiederaufbau, ein neues Hochwasser-Präventionssystem und Industriehilfen bezahlt werden sollen.

Aquata konnte der hohe Wall um das Industriegebiet keinen Schutz bieten. Die Fabrik von Wolfgang Dressler steht knapp zwei Meter im Wasser. „Es reicht über die Fenster bis knapp unter die Decke“, sagt Dressler. In den nächsten Tagen will der Aquata-Geschäftsführer selbst in das Katastrophengebiet fliegen und die 1200 Quadratmeter große Produktionsfläche und den Zustand der schweren Maschinen begutachten. Dressler rechnet mit einem Schaden zwischen 200 000 und 300 000 Euro. Zwar sei Aquata versichert, sagt Dressler. Aber ob die Versicherer in Anbetracht der Masse der betroffenen Unternehmen Schäden in einem kaum überschaubarem Umfang ausgleichen können, ist fraglich. Wenn Dressler in den Flieger nach Thailand steigt, wird er Pumpen, Generatoren und ein Schlauchboot mit im Gepäck haben. Ein Akt der Verzweiflung? „Sie haben keine Wahl“, sagt Dressler, „Sie müssen etwas tun“. Die Inneneinrichtung und die Elektronik seien mit Sicherheit zerstört. Solange das Wasser aber noch nicht abgeflossen ist, hat Dressler zumindest immer noch Hoffnung für seine Maschinen. „Die sind ein paar hundert Kilo schwer.“ Dressler will sie aus dem Wasser ziehen und mit einer Ölschicht überziehen – damit kein Rost ansetzt. „Die Wirtschaft wird Monate brauchen, um sich zu erholen“, ist sich Dressler sicher. Aquata könnte nun in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das Unternehmen, das im kommenden Jahr sein 35-jähriges Bestehen feiern will, produziert seit 1989 in Thailand. Die jetzt von der Flut betroffene Fabrik wurde erst vor dreieinhalb Jahren erbaut. Aquata ist der einzige deutsche Hersteller, der sich auf die Produktion von Überlebensanzügen für Schiffsbesatzungen spezialisiert hat. Im Katastrophenfall hält die Kleidung den Körper im kalten Wasser bis zu sechs Stunden lang warm.

Dresslers Auftragsbücher sind voll, sagt er. Er hofft, dass die Produktion so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden kann. „Wenn wir drei Monate nicht liefern können, springen die Kunden ab.“ mit rtr/dpa

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