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Panorama: „Die Zeit im Gefängnis läuft einfach langsamer“

Während Marco in Deutschland Interviews gibt, sitzt eine junge Deutsche weiter im Knast in Antalya.

Istanbul/Köln - Der am Freitag aus türkischer Untersuchungshaft entlassene Marco Weiss zeigte sich in einem Interview mit dem Sender RTL, das Sonntagabend ausgestrahlt wurde, erleichtert. Vor seiner Verhaftung sei er „ein ganz normaler Junge“ gewesen. „Ich bin, glaube ich, immer noch genauso wie vorher, aber habe sehr viele Sachen neu hinzugelernt.“ Er habe zuerst an eine Verwechslung geglaubt, als er während eines Türkeiurlaubs des sexuellen Missbrauchs der 13-jährigen Britin Charlotte beschuldigt wurde, sagte der 17-jährige Schüler. Zu den acht Monaten Untersuchungshaft sagte Marco Weiss: „Man kann sich ja ein bisschen die Zeit vertreiben mit Sport, mit Fernsehen, aber die Zeit läuft dort im Gefängnis einfach langsamer.“

Nun ist es still geworden rund um das Gefängnis in Yeniköy nördlich der türkischen Urlauberstadt Antalya. Der Medientross aus Deutschland mit seinen Kameras und Mikrofonen ist verschwunden, auch bekannte Besucher wie der Europapolitiker Vural Öger lassen sich hier derzeit nicht blicken.

Doch während in Deutschland die Ankunft von Marco gefeiert wird, sitzt eine junge Bundesbürgerin weiter in Yeniköy ein. Auch Weihnachten wird sich das nicht ändern, Forderungen nach der Freilassung von Sabrina A. bleiben aus. Wie Marco wartet sie seit Monaten in Untersuchungshaft. Doch anders als der Junge hat die 19-Jährige weder begabte Anwälte noch eine Familie, die sich um sie kümmert. Dabei hat Sabrina ein zweijähriges Kind und ist im achten Monat schwanger.

Als Sabrina A. im Juli dieses Jahres in Antalya festgenommen wurde, da sah sie auf den Fotos der türkischen Presse selbst aus wie ein halbes Kind. Schulterlange braune Haare, hellblaues T-Shirt, Jogginghose – und Handschellen: So wurde die Heranwachsende dem Haftrichter vorgeführt. Die Behörden werfen ihr versuchten Heroinschmuggel vor, was sie vehement bestreitet. So, wie Marco den Vorwurf des Kindesmissbrauchs zurückwies. Er kam nicht zuletzt auf Initiative von Politikern frei und flog in einem Privatjet nach Deutschland zurück. Sabrina A. wartet weiter.

Die junge Frau war am 12. Juli in Antalya angekommen und wurde von Anfang an von türkischen Beamten observiert, die einen Hinweis auf einen geplanten Rauschgiftschmuggel erhalten hatten. Sie traf sich nach Presseberichten mit zwei Türken, von denen einer wegen Drogenhandels vorbestraft war. Als Sabrina eine Woche später die Heimreise nach Duisburg antreten wollte, fanden Polizisten in ihrem Koffer fünf Kilogramm Heroin. Bei einer Durchsuchung ihres Hotelzimmers wurden offenbar weitere 15 Kilogramm des Rauschgifts gefunden. Die Frau, die wie ihre beiden türkischen Bekannten festgenommen wurde, bestreitet, etwas mit dem Heroin zu tun zu haben. Schon vor sechs Jahren sorgte der Fall der Berlinerin Andrea Rohloff für Schlagzeilen, die im türkischen Izmir mit Heroin erwischt und zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurde.

Doch während sich bei Andrea Rohloff und Marco in Deutschland schnell Helfer und aufmerksame Medien fanden, blieb es um Sabrina A. still. Nach mehr als vier Monaten Untersuchungshaft hat sich daran nichts geändert. So verzweifelt war die Lage der jungen Frau, dass in Antalya lebende Deutsche für sie Kleider sammelten und ins Gefängnis schickten.

Im Fall Marco löste die Möglichkeit, dass der 17-Jährige Weihnachten im „Türkenknast“ verbringen könnte, einen Proteststurm aus – bei Sabrina A. macht sich nur ein Unterstützerkreis in Antalya Gedanken darüber, was man überhaupt für die Untersuchungsgefangene tun kann: „Hier sitzt ein völlig allein gelassenes Kind, das auch noch ein Kind erwartet.“Thomas Seibert (mit dpa)

Thomas Seibert (mit dpa

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