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Panorama: Diese Frau lässt Washington zittern

Callgirl-Affäre in der Hauptstadt: Wie viele Politiker müssen noch gehen?

Deborah Jeane Palfrey macht nun wirklich keinen furchterregenden Eindruck. Mit der verwuschelten Frisur, den rechts und links ausbrechenden dunklen Strähnen, der auf dem Nasenbein herabgerutschten Hornbrille, dem grellen roten Lippenstift und den viel zu hohen Stöckelschühchen mit zehn Zentimeter hohen Absätzen wirkt sie eher wie eine in die Jahre gekommene Möchtegern-Verführerin. Aber das ist genau die Rolle, mit der sie Washingtons Politiker zittern lässt.

Palfrey hat einen Callgirl-Ring betrieben – pardon, offiziell heißt das „Escort-Service“. Hübsche junge Damen werden einsamen Herren zur Abendbegleitung angeboten. US-Vizeaußenminister Randall Tobias ist vor wenigen Tagen zurückgetreten, nachdem herauskam, dass auch sein Name in der Kundenkartei der „DC-Madame“ steht. Eiligst hat er betont, es sei nichts Illegales geschehen. Er habe sich doch nur eine „Massage“ verabreichen lassen. Von Prostitution sei keine Rede. Natürlich nicht, käuflicher Sex ist in den USA illegal. Aber schon die Nähe zur Madame genügte, denn Tobias war für das weltweite Anti-Aids-Programm zuständig. Das setzt offiziell auf Enthaltsamkeit. Und verdammt Prostitution als eine Hauptübertragungsquelle.

Nun spekuliert die Hauptstadt, wer als nächstes stürzen könnte. Palfrey muss sich selbst gegen den strafrechtlichen Vorwurf wehren, die Prostitution begünstigt zu haben. Offenbar meinte sie, eine Anklage abwenden zu können, wenn sie nur genügend Druck mache. 46 Pfund Akten mit Einzugsermächtigungen und 15 000 Namen könne sie anbieten, ließ einer ihrer Anwälte verlauten. Und sie sagte traurig, sie habe auf etwas mehr Beistand und Solidarität gehofft – einige der hohen Herren könnten doch für sie aussagen, wo man doch so vertrauensvoll zusammengearbeitet habe.

Ihre Anhörung im Untersuchungsgericht löste allerdings Fragen nach ihrem Geisteszustand aus. Mitten in der Anhörung verlangte sie die Ablösung ihres Strafverteidigers. Richterin Gladys Kessler erfüllte den Wunsch, lehnte jedoch Palfreys folgende Forderung ab, 150 000 Dollar Steuergeld für einen neuen zu bewilligen. Auch musste die Madame darauf verzichten, ihren Zivilanwalt Montgomery Sibley, eine schillernde Persönlichkeit, an ihrer Seite zu haben. Sibley sei nicht für Strafverfahren zugelassen, erklärte die Richterin geduldig.

Die Madame nickte verständig, als sei sie nun im Bilde, löste aber bald neue Verwirrung aus. Sie erklärte, sie habe 5000 Aktien der „Dolly Laboratories“ in ihrem Portfolio, sei der Ansicht, dass der Kurs jetzt mit 37 Dollar den Höhepunkt erreicht habe, und bat die Richterin, den Verkauf anzuordnen. Immerhin gewährte die ihr dann eine Erleichterung: Sie hob die Auflage einer elektronischen Fußfessel für Deborah Palfrey auf. Die Verteidigung habe nicht glaubhaft gemacht, dass Fluchtgefahr bestehe.

Anwalt Sibley, der in einem Anzug mit Mottenlöchern und ausgetretenen Schuhen gekommen war, kämpfte draußen mit doppeltem Elan für sie vor den Medien, nachdem er im Gerichtssaal nicht zu ihrer Verteidigung antreten durfte. „Erpressung“ sei die Drohung, Namen zu veröffentlichen? Aber nicht doch. „Ich nenne unser Vorgehen ein faires Verfahren.“ Jetzt mal ehrlich, schmeichelte er den Journalisten: „Jeder von euch will ein Interview mit Deborah. Aber wenn ich nicht will, wird es keiner bekommen.“ Als der Reporter von „Inside Edition“ dennoch versuchte, der Madame eine Frage zu stellen, als sie den Gerichtssaal verließ, blaffte Anwalt Sibley ihn an: „Sie sind unprofessionell. Sie brauchen erst gar nicht mehr bei mir anzurufen.“ Einen anderen, der ihn fragte, „haben sie irgendetwas zu sagen?“, knurrte er an: „Ja, geht mir aus dem Weg!“

Noch nach der Anhörung irrten Touristen durch das Gerichtsgebäude – mit der Frage: „Wissen Sie, wo wir die Madame finden?“ Einer der Ankläger rollte unterdessen im Rollstuhl aus dem Saal. Auf dem Rücken der Lehne prangte in Großbuchstaben das Wort „QUICKIE“.

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