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Panorama: Doppelt hält besser

Im Hamburger Hafen ist ein Chemietanker verunglückt – seine Doppelwand verhinderte eine Katastrophe

„Äußerst attraktiv" seien die Hafenbecken für Aale, Barsche und Flundern, hieß es bisher in Hamburgs Umweltbehörde, die ruhigen Schiffsliegeplätze fernab der Elbströmung seien „randvoll mit Fisch“. Doch derzeit ist der Petroleumhafen an der Elbe weder für Menschen noch für Tiere ein guter Ort. Das Tankschiff „ENA 2“ war am Montagabend mit dem auslaufenden Containerschiff „Pudong Senator“ kollidiert und gekentert: 98-prozentige Schwefelsäure vermischte sich mit dem Flusswasser und wehte als Wolke über die Kais. Bisher traten offenbar nur maximal 500 Liter Säure über das Lüftungssystem aus. Die doppelte Schiffswand hielt – und ist damit die beste Werbung für die höheren Sicherheitsstandards der EU. Jetzt aber fürchten die Hamburger, dass das Schiff bei der Bergung zerwomöglich bricht. 500000 Liter Säure sind noch an Bord.

Das Zeug ist ätzend. Zehn Menschen, acht Hafenarbeiter und zwei Feuerwehrleute, erlitten Atemwegs- und Augenreizungen, weil der Wind nach dem Unglück Schwefelschwaden über den Hafen getrieben hatte. Der pH-Wert im Wasser fiel von sieben auf fünf: Hunderte Fische überlebten das nicht. Nach der Kollision hatten es Schiffsführer und Bootsmann noch geschafft, den Tanker zur Anlegestelle zu bringen und am Kai festzumachen.

Dann aber kenterte er, weil offenbar Wasser durch die erste Stahlwand eingetreten war. Als mögliche Unglücksursache gilt eine Fahruntüchtigkeit des Kapitäns der „ENA 2“ – es wird ermittelt, ob er unter Alkoholeinfluss stand. Die Hamburger Grünen verlangen nun verstärkte Alkoholkontrollen im Hafen.

Christian Bussau, Meeresbiologe und Greenpeace-Experte für Schiffssicherheit, inspizierte gestern in einem Schlauchboot den Tanker, der kieloben liegt. „Ich bin recht optimistisch, dass es nicht zu einem größeren Austritt von Schwefelsäure kommt. Die Behörden sind in der Lage, mit diesem Unfall umzugehen.“ Auch dem sichersten Boot könne etwas passieren: „Aber ein doppelwandiges Schiff ist sicherer als ein einwandiges.“ Generell sei die Binnenschifffahrt umweltfreundlich: „Gegenüber dem Verkehr auf der Straße und mit der Bahn gibt es auf dem Wasser mit Abstand weniger Unfälle."

Die EU-Verkehrsminister hatten nach dem Untergang der „Prestige“ vor Spaniens Küste entschieden, schrittweise alle einwandigen Öltanker in den Gewässern der Gemeinschaft zu verbieten. Schwefelsäure entsteht bei der Verarbeitung von Kupferkonzentrat und wird an die chemische Industrie verkauft. Die Bergung der Schwefelsäure bleibe ein risikoreiches Unterfangen, warnt Bussau: „Das Schiff ist instabil, die vier Tanks dürfen nicht leckschlagen.“ Die Feuerwehr legte eine Druckluft-Öl-Sperre um das Schiff. Ersten Messungen zufolge sei derzeit gesichert, dass die Schwefelsäuretanks nicht beschädigt sind, so die Feuerwehr.

Da die Säure schwerer als Wasser ist, müsste sie auf den Hafengrund sinken. An der Luft kann sich jedoch explosives Knallgas bilden: Daher besprengen Wasserwerfer das Hafenbecken nun ständig mit einem Flüssigkeitsnebel, der Gase binden kann. Ein Schwimmkran aus Bremerhaven soll am Mittwochvormittag das angeschlagene Schiff aufrichten. Mitarbeiter einer Bergungsfirma legen Trossen um den Rumpf, dann wird es um 180 Grad gedreht und abgepumpt.

Günter Beling[Hamburg]

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