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Panorama: "Dorian Gray": Die Unsterblichen leben nicht ewig

Dorian Gray ist der Mann mit der ewigen Jugend. Im Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" von Oscar Wilde ist er der Held, der niemals altert.

Dorian Gray ist der Mann mit der ewigen Jugend. Im Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" von Oscar Wilde ist er der Held, der niemals altert. Es geht um Selbstverliebtheit, Glamour und Unsterblichkeit. Oscar Wilde hat die heutige Jugendkultur bereits vor hundert Jahren beschrieben.

Aber Dorian Gray wird doch sterben. Die erste deutsche Großraumdisco, das "Dorian Gray" in Frankfurt, wird am 31. Dezember schließen. Nach 22 Jahren in Terminal 1, in Halle C, auf Ebene Null im Rhein-Main-Flughafen ist Schluss, weil die Disco längst nicht mehr den neuesten Brandschutzregeln entspricht. Dabei war der Platz im Flughafen schlau gewählt, um schnell und weltweit einen legendären Ruf zu bekommen. Eine glitzernde Clubwelt in einem Niemandsland. Eine Disco mitten im Flughafen, die den Reisenden die Möglichkeit bot, die Nacht durchzutanzen und mit dem ersten Flieger den Ort des Geschehens wieder zu verlassen. Oder am Sonntagmorgen die legendäre Nachfeier, die Afterhour, zu zelebrieren und die Clubnacht bis in den Mittag zu verlängern.

Dass das Dorian Gray schnell ein Ort für die Reichen und Schönen werden würde, hatten die Betreiber Gerd Schüler und Michael Presinger einkalkuliert. Denn nicht nur ein Laden in dieser Größe, mit mehreren Tanzflächen, Bars und Restaurants, war in Deutschland damals neu. Die Disco orientierte sich an großen Vorbildern wie dem mondän-schmuddeligen New Yorker "Studio 54". "Die Discowelle Ende der Siebziger in den USA hat uns geleitet", sagt Michael Presinger zur Anfangszeit des Dorian Gray. Die Musikanlage war selbst für disco-verwöhnte Ohren bombastisch. Der New Yorker Sounddesigner Richard Long hatte die Lautsprecherboxen vor Ort zusammengebaut, erinnert sich Presinger. Das Holz brachte Long aus den USA mit. "Das war schon sehr beeindruckend." Doch anders als in New York, wo das Studio 54 längst seine Pforten schloss, schien Frankfurts Vorzeige-Disco die ewige Jugend gepachtet zu haben.

Die Heimat weggenommen

Doch dann - vor drei Jahren - brannte der Düsseldorfer Flughafen. Die Brandschutzauflagen sind seit seitdem auch für den Frankfurter Airport strenger geworden. Probleme bereiten den Discothekenbetreibern die Fluchtwege und der Rauchabzug. "Wir haben bereits einiges umgebaut", sagt Sven Gentner, Geschäftsführer des Dorian Gray, "aber das war nicht ausreichend." Für die weiteren nötigen Umbauten hätte das Gray ein dreiviertel Jahr lang dichtmachen müssen. Und: "Wir hätten Millionen investieren müssen", sagt Michael Presinger. Geschäftsführer Gentner kann die Behörden durchaus verstehen. Trotzdem steht fest: An Silvester gehen auf Ebene Null die Lichter aus.

Am 25. November wird tief unter dem Flughafen tapfer der 22. Geburtstag gefeiert werden, kurz darauf wird Frankfurts dickster Diskjockey Markus Löffel alias Marc Spoon traditionell seinen eigenen Geburtstag im Dorian Gray zelebrieren. "Da haben alle wirklich großen DJs gespielt", schwelgt Spoon in Erinnerungen, "und ich habe meine Karriere dort begonnen". Die Fans werden diesmal Tränen in den Augen haben. "Lasst uns alle am 31. Dezember an das Dorian Gray ketten und gegen die Schließung protestieren", schrieb Christian ins Internet-Gästebuch der Discothek. "Die können uns doch nicht einfach unsere Heimat wegnehmen!!!"

Das Gray war in den vergangnen 15 Jahren die Heimat der deutschen Techno-Bewegung. Ein gewisser Andreas Tomalla verkaufte Anfang der 80er Jahre Platten, bezeichnenderweise in einem Laden tief unter dem Frankfurter Hauptbahnhof. Für seine persönliche Lieblingsmusik richtete er ein spezielles Fach ein: "Techno".

Techno-Bässe gegen Jumbo-Grollen

Ein Genre war geboren und aus Tomalla wurde Talla 2 XLC, ein Missionar in Sachen elektronisch stampfender Beats. Damals sagten die Fans "EBM" dazu, Electronic Body Music. Frankfurt war mit seiner Geschäftigkeit prädestiniert für diese neue Musik und das Gray wurde die Brutstätte. Tomalla, dem oft zuvor der Einlass in die heiligen Hallen der Großraumdisco verwehrt worden war, gelang es 1984, einen regelmäßigen "Technoclub" zu etablieren. Unterm Rollfeld, im Bauch des Airports sollten die Vierviertel-Bässe aus Tallas Plattenkoffer das Grollen der Jumbojets übertönen. Die Dorian-Gray-DJs Mark Spoon, Dag und Talla 2 XLC sollten später das Techno-Untergenre "Trance" aus der Taufe heben.

Ab 1981 übernahm Sven Väth für einige Jahre das Regiment an den Plattentellern. Und wieder wurde eine ganze Generation von Clubbern beeinflusst von einem einzigen Plattenaufleger und seiner Auswahl. "Das war der magische Ort aller Paradiesvögel aus ganz Deutschland", sagt Väth heute. Mit 16 versuchte er selbst zum ersten Mal, als Gast hinein zu gelangen. "Ich musste mir immer etwas einfallen lassen, um an den Türstehern vorbei zu kommen", erinnert er sich. Er habe zum Beispiel Kostüme angezogen und Make-up angelegt. Ein Traum ging für ihn in Erfüllung, als er die Frühschicht im Gray übernehmen durfte. "Es war für mich das Allergrößte, dabei zu sein!"

Stefan Müller

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