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Dramatische Flucht: Entführungsopfer entkamen schlafendem Geiselnehmer

Eine 16-Jährige hat sich und ihren Sohn aus der Gewalt ihres Ex-Freundes befreit. Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte man die Befreiungsaktion als filmreif bezeichnen können.

Die Umstände der Befreiung einer 16-jährigen Mutter und ihres zwei Jahre alten Sohnes aus der Gewalt eines Kidnappers in Norditalien sind dramatischer als zunächst bekannt wurde. Wie die Polizei in Bamberg mitteilte, konnte die Jugendliche die Polizei gestern über ihr Handy selbst über den Aufenthaltsort informieren. "Gegen 13 Uhr erfuhren wir, dass der Täter außerhalb des Fahrzeugs eingeschlafen war", sagte Polizeioberrat Jürgen Lochner. Daraufhin wurden die Opfer zum nächstgelegenen Haus der Ortschaft Saletto bei Udine gelotst, wo sie Unterschlupf fanden.

Allerdings bemerkte dies auch der inzwischen erwachte Täter. Er versuchte, mit ins Haus zu schlüpfen. "Dies konnte aber durch das couragierte Handeln des Hausbesitzers verhindert werden", sagte Lochner. Der 25-Jährige ergriff daraufhin in seinem Auto die Flucht, wurde jedoch nach kurzer Zeit durch den Einsatz eines Hubschraubers aufgespürt. "Er ließ sich widerstandslos festnehmen", sagte der Einsatzleiter.

Motiv: Trennung von Freundin nicht verkraftet

Die Geiselnahme hatte 48 Stunden zuvor in Hallstadt bei Bamberg begonnen. "Er hatte offenbar die Trennung seiner Freundin nicht verkraftet", sagte Oberstaatsanwalt Joseph Düsel. Durch die Entführung des Kindes, das nicht von ihm stammt, versuchte er, die Beziehung "wieder in Gang" zu bringen. Doch im letzten Moment gelang es der Mutter, ebenfalls mit in den Wagen zu schlüpfen. Zeugen informierten die Eltern über den Vorfall. Noch am selben Abend meldete sich die junge Mutter auch selbst, um mitzuteilen, dass sie nicht freiwillig mitgegangen sei.

Erste Hinweise auf den Aufenthaltsort gab es am Dienstag aus dem Raum Nürnberg. Zu diesem Zeitpunkt gelang es aber nicht, zu Täter oder Opfern einen Kontakt aufzubauen. Erst gestern meldete sich die 16-Jährige selbst wieder bei der Polizei. Dadurch erfuhren die Beamten, dass sich der Wagen inzwischen auf dem Weg Richtung Süden befand. Auch mit dem Täter konnte die in Bamberg aufgebaute Verhandlungsgruppe sprechen: "Er machte einen sehr angespannten und nervösen Eindruck und beendete das Gespräch nach kurzer Zeit", sagte Lochner.

Nachdem die Polizei gestern erfuhr, dass der Täter eingeschlafen war, gab es eine halbe Stunde intensiven telefonischen Kontakt mit dem Mädchen. Am ersten Haus wurde ihr nicht geöffnet. Beim zweiten Versuch appellierten die Ermittler in Bamberg selbst an den Hausbesitzer in Saletto, der die Opfer aufnahm, keinesfalls einen deutschen Mann einzulassen. Sie bekamen auch mit, wie es kurz darauf zu einem Wortgefecht mit dem inzwischen erwachten Täter kam. Kurz darauf erfolgte der Zugriff durch die italienische Polizei.

Täter soll demnächst nach Deutschland ausgeliefert werden

Den Opfern geht es den Umständen entsprechend gut. Bamberger Polizisten machten sich bereits gestern auf den Weg nach Udine, um beide abzuholen. Sie werden heute in Hallstadt zurückerwartet. "Eine erste psychologische Betreuung fand bereits in Italien statt", sagte Lochner. Der Täter sitzt derzeit im Gefängnis von Tolmezzo und wird wohl demnächst nach Deutschland ausgeliefert.

Zum genauen Fluchtziel des 25-Jährigen konnten Polizei und Staatsanwaltschaft nichts sagen. "Es war wohl Zufall, dass sie nach Italien fuhren", sagte Kripo-Chef Edgar Pfahlmann. Bei dem Entführer wurde ein Messer gefunden. Ob er damit seine Geiseln bedrohte, müsse die Befragung der Mutter erst noch ergeben. Gegen den Mann aus Bad Staffelstein wurde bereits mehrfach wegen Körperverletzung ermittelt, vorbestraft ist er aber nicht. Für die Geiselnahme drohen ihm nun bis zu 15 Jahre Haft.

Jörg Völkerling[ddp]

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