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Panorama: Dramatischer Wettlauf mit der Zeit

Ihr Herz schlug nur noch für ihr Baby: Nach einem drei Monate langen dramatischen Wettlauf mit der Zeit ist eine krebskranke gehirntote Amerikanerin jetzt Mutter geworden.

Washington (03.08.2005, 21:34 Uhr) - Seit dem 7. Mai, jenem Tag, als sie plötzlich bewusstlos zusammenbrach, war die 26-jährige Susan Torres - damals in der 15. Woche schwanger - künstlich am Leben erhalten worden, um dem Kind eine Chance zu geben. Am Dienstag (Ortszeit) wollten und konnten die Ärzte dann nicht mehr länger warten: In einem Krankenhaus in Arlington (US-Staat Virginia) holten sie am Dienstag (Ortszeit) per Kaiserschnitt die kleine Susan Anne Catherine Torres auf die Welt.

Sie wiegt rund 820 Gramm, ist gut 34 Zentimeter groß und: Sie scheint gesund zu sein, wie US-Medien einen Angehörigen zitierten. Für Jason Torres war es ein bitter süßer Augenblick, als er zum ersten Mal seine Tochter sah. Denn die Ankunft des Babys, das stand von vornherein fest, bedeutete zugleich den endgültigen Abschied von seiner Frau. Mit seiner Zustimmung wurden inzwischen die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet, und die junge Mutter durfte sterben.

Es war höchste Zeit für die Geburt gewesen: Der Krebs - ein Gehirntumor - hatte im Laufe der drei Monate inzwischen die Lymphknoten, Lunge, Leber und andere Organe erfasst. Die Gefahr eines Übergreifens auf die Gebärmutter und schwerer Infektionen war täglich, ja stündlich größer geworden. Das Schicksal der Eheleute Torres hatte über die USA hinaus Anteilnahme ausgelöst. Aus vielen Teilen der Welt trafen Geldspenden ein, zusammen mehr als 400 000 Dollar (325 000 Euro), damit der Ehemann für die medizinische Betreuung aufkommen kann. Seine Krankenversicherung trägt nämlich nur einen Teil der Kosten, die zum Zeitpunkt der Geburt bei über einer Million Dollar lagen. Sogar ein US-Soldat im Irak schickte Geld, wie die «Washington Post» berichtete.

Es ist tatsächlich eine ebenso ungewöhnliche wie herzergreifende Geschichte. Dass schwangere Frauen im Koma - etwa nach Verkehrsunfällen - Babys zur Welt brächten, komme zwar bisweilen vor, hieß es in Medienberichten. So habe es seit 1977 mindestens 12 solcher Fälle gegeben. Auch hätten Frauen mit «aggressivem Krebs» wie jenem, der das Gehirn von Susan Torres ausschaltete, Kinder geboren, etwa in Großbritannien, Kanada und den USA. Aber den Ärzten in Arlington sei kein einziger Fall bekannt, in dem beide Faktoren zusammenkamen.

Es begann am 7. Mai, als Susan Torres nach Tagen mit Kopfschmerzen und Übelkeit plötzlich das Bewusstsein verlor und aufhörte zu atmen. In der Klinik kam dann die schreckliche Diagnose. Ein besonders bösartiger Hautkrebs, an dem Susan im Alter von 17 Jahren erkrankt war, hatte im Gehirn Metastasen entwickelt. «Die Ärzte sagten mir: Wir können Ihrer Frau nicht mehr helfen, aber wir können versuchen, das Baby zu retten», schilderte Jason Torres.

Ihm wurde erklärt, dass die Überlebenschancen für das Baby eher klein seien und zudem das Risiko schwerer Behinderungen bestehe. Und dann waren die Kosten zu hoch für den Druckerei-Angestellten, der mit Susan schon einen zwei Jahre alten Sohn hat. Aber das alles schreckte ihn nicht ab. «Susan hätte nichts anderes gewollt. Sie wäre durch die Hölle gegangen, um dem Kind eine Chance zu geben.»

So ließ sich der Ehemann beurlauben und zog ins Krankenzimmer seiner Frau. Dort redete er ihr gut zu, obwohl sie ihn nicht hören konnte, hielt ihre Hand und verfolgte die Entwicklung des Babys per Sonogramm. Im vergangenen Monat war es dann so weit: Seine Frau hatte die 24. Schwangerschaftswoche überschritten, jenen Zeitpunkt, von dem an die Ärzte dem Kind eine Überlebenschance eingeräumt hatten. «Wir sind glücklich über die erfolgreiche Geburt», hieß es nun am Mittwoch in einer Erklärung des Krankenhauspersonals. (Von Gabriele Chwallek, dpa)

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