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Dreharbeiten: Der neue Bond hat keinen Titel

Im 22. Thriller soll 007 ein ganz neues psychologisches Bild abgeben - in London wird derzeit gedreht. Alles läuft gut - doch welchen Titel soll der Film tragen?

„Bond 22“ – so darf ein Thriller mit dem berühmtesten Agenten der Filmgeschichte wirklich nicht heißen. Aber bislang ist eben noch niemandem ein zündender Titel für den neuen 007 eingefallen – oder der wird nicht verraten. Und daher laufen die Dreharbeiten zu dem nach offizieller Zählung 22. Bond-Abenteuer, die kürzlich in London begonnen haben, vorerst mit rein nummerischem Etikett.

Anfangs war Regisseur Marc Forster über das ihm angetragene Projekt skeptisch, verriet er dem Tagesspiegel: „Ich war mir nicht sicher, ob ich den Film machen sollte, aber dank Daniel Craig hat James Bond ein ganz neues psychologisches Bild abgegeben. Das finde ich sehr interessant.“ Der in Ulm geborene, in der Schweiz aufgewachsene Forster ist durch psychologisch differenzierte Dramen bekannt geworden, besonders „Monster’s Ball“, der Halle Berry vor sechs Jahren einen Oscar und einen Silbernen Bären einbrachte. Liegt Bond bald auf der Couch eines Psychiaters? Möglich wäre es.

Als Klein-James, so will es die Legende, gerade mal elf Jahre alt war, verlor er seine Eltern bei einer Klettertour in den französischen Alpen. Ein solches Trauma oder andere Details über Bonds Herkunft, seinen Lebenslauf oder gar psychologische Hintergründe der Figur waren seit Beginn der Filmserie 1962 tabu. Stattdessen bauten die Produzenten Harry Saltzman und Albert R. Broccoli die von dem englischen Schriftsteller und Ex-Geheimagenten Ian Fleming geschaffene Figur zum Superhelden auf und verzichteten auf die vom Autor ersonnenen Schwächen. Exotische Schauplätze, schöne Frauen, technische Spielereien, spektakuläre Stunts und Explosionen waren das Erfolgsrezept. Das wurde nur einmal angetastet, 1969 bei „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“: Am Ende wird Bonds Ehefrau auf dem Weg in die Flitterwochen erschossen. Das Publikum war schockiert, die erfolgsverwöhnten Macher mussten sinkende Einnahmen hinnehmen. Verweise auf Bonds Witwerschaft hat es danach in nur zwei Filmen gegeben. Noch mehr Action überdeckte Bonds offene Wunden.

Doch das ist Geschichte. „Es ist sehr, sehr wichtig, dass Bond menschlich ist“, sagt Forster. „Das gilt auch für die Actionszenen. Wenn man eine Emotion in der Action sieht, dann macht das die Szene viel spannender.“ Auch die Drehorte – auf London folgen Bolivien und Panama, danach Italien und Österreich, inklusive der Bregenzer Seebühne – sind für den 38-jährigen Regisseur mehr als nur spektakuläre Kulisse: „Die exotischen Locations kennt man heute ja, die Erde ist so klein geworden. Heute kann jeder dort hinreisen. Daher geht es jetzt um die innere Reise. Die hat man noch nicht gesehen.“

Dafür zuständig ist der Kanadier Paul Haggis, den die Produzenten den Storyentwurf von Robert Wade und Neal Purvis überarbeiten ließen. Seit dem Überraschungserfolg „L.A. Crash“, der Haggis 2006 zwei Oscars einbrachte, gilt der Regisseur und Drehbuchautor als ein Erneuerer des Mainstreamkinos. Er überarbeitete bereits den letzten Bond-Film „Casino Royale“, gab dem besten Agenten Ihrer Majestät psychologische Tiefe, ließ ihn von seiner späteren Geliebten Vesper Lynd als „Heimkind und labiler junger Mann ohne soziale Bindungen“ entlarven, „der andere ohne nachzudenken über die Klinge springen lässt, um Krone und Vaterland zu schützen“. Das jüngste 007-Abenteuer schließt daran an. Da seine Geliebte in den Tod getrieben wurde, will sich Bond rächen und die Hintermänner der Tat ausfindig machen – mit viel Wut im Bauch, einem neuen Aston Martin DBS unterm Hintern und der wieder von Judi Dench gespielten Chefin M.

„Bond 22“, der am 6. November in die deutschen Kinos kommt, soll seinen Vorgänger noch überbieten. Der spielte immerhin – bei einem Budget von rund 150 Millionen Dollar – 600 Millionen ein. Damit die Reise nach innen nicht etwa unspektakulär verläuft, wurden sicherheitshalber Verfolgungsjagden mit Auto und Boot eingeplant, auch ein Besuch beim „Palio“ in Siena, einem als besonders hart geltenden Pferderennen. Der Franzose Mathieu Amalric, der wie Daniel Craig in Steven Spielbergs „München“ zu sehen war, hat die Rolle von Bonds Gegenspieler inne. Als wichtigstes Bond-Girl wurde die Ukrainerin Olga Kurylenko verpflichtet, für Abwechslung wird die Britin Gemma Arterton sorgen. Denn so weit geht Bonds Reise nach innen nun nicht, dass ihm eine Gefährtin genug wäre.

Siegfried Tesche

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