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Panorama: Drei Genies müsst ihr sein

Bremer Schüler entwickelten ein Mautsystem – warum bekamen sie bei „Jugend forscht“ keinen Preis?

Von Andreas Oswald

Sie sind die derzeit berühmtesten Schüler Deutschlands. Da haben doch tatsächlich drei 18-Jährige aus Bremen mit einfachen Mitteln ein Mautsystem entwickelt, eine Aufgabe, an der Großkonzerne wie DaimlerChrysler und die Telekom zuvor trotz Milliardenaufwands gescheitert waren. Deren gemeinsame Gesellschaft Toll Collect hat die Schüler zum Gespräch eingeladen. Die Profis wollen sich zumindest einmal anhören, was der Nachwuchs da ausgetüftelt hat.

Kaum einer, der es den Schülern nicht gönnte, nachdem eine monatelange quälende Pisa-Diskussion kaum ein gutes Haar an den deutschen Schulen gelassen hatte. André Kreis, Tim Gosche und Helge Stobrawe besuchen alle das Gymnasium Vegesack. Enge Freunde seien sie, sagen ihre Eltern, alle drei besuchen sie dieselben Leistungskurse – Mathematik und Informationstechnologie.

Gestern Abend traten zwei von ihnen in Anke Engelkes Late-Night-Show auf. Das Maut-System, das so viel Aufsehen erregt, hatten die Schüler beim Bundeswettbewerb Jugend forscht eingereicht, bei dem am vergangenen Wochenende die Preise verliehen wurden.

Danach stellt sich aber eine Frage: Warum bekamen die Schüler aus Bremen keinen Preis? Wenn ihre Entwicklung doch so eine Sensation sein soll?

Ein Sprecher der Stiftung Jugend forscht sagte gestern, zu den Entscheidungskriterien gehörten nicht nur Originalität und Popularität, sondern auch wissenschaftliche Kriterien. In dieser Hinsicht seien andere Projekte anspruchsvoller gewesen. Die Jury habe extra zu dem Mautprojekt ein Fachurteil eingeholt. Ergebnis: Für einen Preis reichte es nicht.

Eine genaue Begründung, was an dem Konzept nicht ausreichend ist, gibt die Stiftung nicht. Sie nennt auch nicht die Namen der Jurymitglieder.

Auch das Bundesverkehrsministerium, das das Maut-Desaster zu verkraften hat, hält sich zurück. Das Konzept werde geprüft, sagte ein Sprecher.

Werden hier drei kleine Genies von allen Seiten ausgebremst? Dass sie eine Lösung für die Mautprobleme gefunden haben, ist fraglich. Ihr Konzept beruht darauf, dass in den Lkw ein Rechner eingebaut ist, der an jedem Maut-Kontrollpunkt die Fahrzeugdaten an einen zentralen Kontrollrechner sendet. Der merkt sich Anzahl und Standorte der passierten Kontrollpunkte. So könne die Mautgebühr berechnet werden.

Das Konzept klingt einfach. Experten sind aber skeptisch. Die Übertragung soll per Wireless-LAN erfolgen. Dabei handelt es sich um ein System, mit dem man sich ins Internet einloggt. Das System funktioniert kaum, wenn es sich bewegt. Experten von Deutscher Telekom und Toll Collect, aber auch unparteiischer Telekom-Unternehmen wie Berlikomm sagten auf Nachfrage, es sei als Lösung kaum denkbar, dass sich ein Lastwagen bei Tempo 80, wenn er an einem Kontrollpunkt vorbeifährt, innerhalb von Sekunden ins Internet einwählt und zuverlässig die Daten übermittelt. Die Wireless-Lan-Technik ist zuverlässig, wenn man mit seinem Notebook ins Internet will. Für fahrende Lastwagen sei sie viel zu unsicher und zu langsam, sagen alle befragten Sprecher. Deshalb lasse die EU diese Technik für Mautsysteme nicht zu.

Nächsten Dienstag sind die drei Bremer Schüler bei Toll Collect eingeladen. Das Konsortium will sich ihr Konzept unbefangen anschauen, sagte eine Sprecherin.

Ob etwas daraus wird? Drei Bremer Schüler lösen die Probleme von Konzernen und Bundesregierung – es wäre zu schön, um wahr zu sein.

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