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Panorama: Drogenschmuggel: "Ich bin reifer geworden"

Ein Vierteljahr hinter den Gittern eines türkischen Gefängnisses - wie verändert das ein Mädchen aus behütetem Berliner Hause? Andrea Rohloff ist an dieser Erfahrung gewachsen, wie sie selbst meint und wie Menschen aus ihrer Umgebung bestätigen.

Ein Vierteljahr hinter den Gittern eines türkischen Gefängnisses - wie verändert das ein Mädchen aus behütetem Berliner Hause? Andrea Rohloff ist an dieser Erfahrung gewachsen, wie sie selbst meint und wie Menschen aus ihrer Umgebung bestätigen. "Ich bin reifer geworden", sagt die 18-jährige Berlinerin, die am 21. Januar auf dem Flughafen der westtürkischen Stadt Izmir mit sechs Kilogramm Heroin im Gepäck geschnappt wurde und seither in türkischer Untersuchungshaft sitzt.

Einen Zusammenbruch des Mädchens erwartet ihr Anwalt Ülkü Caner daher nicht, wenn das Staatssicherheitsgericht Izmir voraussichtlich an diesem Donnerstag das Urteil gegen Andrea Rohloff verkündet. Von einem Freispruch bis zu 15 Jahren Haft ist nach Ansicht des Verteidigers alles drin - dennoch sieht die junge Angeklagte der Entscheidung gefasst entgegen.

Erstaunlich stark

Als "erstaunlich stark" habe sich Andrea erwiesen, sagt Rechtsanwalt Caner, der seine Mandantin im Januar als verschrecktes Häufchen Unglück kennengelernt hatte. Nichts habe sie von dem Heroin in ihrer Reisetasche gewusst, beteuerte das junge Mädchen damals tränenüberströmt. Ihr Anwalt und ihre Familie sind überzeugt davon, dass sie die Wahrheit sagt und von einer vermeintlichen Freundin als Drogenkurierin missbraucht wurde. Nun hoffen sie mit Andrea, dass sich die Richter dieser Auffassung anschließen.

Sechs bis fünfzehn Jahre Haft hat die Staatsanwaltschaft gefordert, einen Freispruch will der Verteidiger beantragen. Dass Andrea Rohloff tatsächlich so billig davonkommt, glaubt er aber selbst nicht. Die Mindeststrafe von sechs Jahren mit Abzug eines Jahres für gute Führung ist das Günstigste, was Caner erwartet; sollte das Strafmaß höher ausfallen, will er in Berufung gehen. Von dem fünfjährigen Strafmaß müsste Andrea nach türkischem Brauch nur etwa ein Drittel absitzen; bis zum übernächsten Weihnachtsfest könnte sie dann mit der Freilassung rechnen.

Dass sie wohl noch eine ganze Zeit hinter Gittern bleiben wird, ist Andrea Rohloff auch klar. Im Buca-Gefängnis bei Izmir hat sie sich nach anfänglicher Fassungslosigkeit mit ihrer Lage arrangiert. "Einen Fehler muss man berichtigen", erklärte die 18-Jährige in einem Brief aus dem Gefängnis, mit dem sie gegen die reißerische Berichterstattung deutscher Boulevardmedien über den Fall protestierte.

Nun lernt sie Türkisch, hält sich mit Gymnastik fit und lässt sich nicht unterkriegen. Inzwischen versteht sie die fremde Sprache schon etwas und hat sich mit einigen der 40 Mitgefangenen in ihrem Schlafsaal angefreundet.

Die Haftbedingungen in der Frauenabteilung sind einigermaßen erträglich. Von dem Hungerstreik im "Terroristen-Trakt", mit dem die politischen Straftäter dort gegen ihre Behandlung protestieren, bekommt Andrea nichts mit, obwohl dort erst in dieser Woche ein Häftling starb.

Großes Interesse an der Auseinandersetzung zeigt das Mädchen ohnehin nicht; dafür sei sie dann doch "noch zu klein", sagt Caner. Von ihren Eltern hat Andrea mehrmals Besuch bekommen; ihre Mutter erhielt zuletzt sogar eine Sondererlaubnis, sie zwei Mal hintereinander zu besuchen.

Anwalt Caner, der seine Mandantin nach eigenen Angaben inzwischen "wie eine Tochter" sieht, besucht sie regelmäßig, und auch die Vertreter des deutschen Generalkonsulats in Izmir kümmern sich um das junge Mädchen.

Viel Sympathie hat sich Andrea Rohloff in der türkischen Öffentlichkeit verschafft, der sie anfangs noch als "die deutsche Drogenkurierin" galt. Andrea und ihre Angehörigen werden nicht müde, der türkischen Presse und Justiz zu versichern, wie dankbar sie seien, dass Andrea ausgerechnet in der Türkei geschnappt wurde - und nicht in einem drakonischeren Staat, in dem ihr die Todesstrafe gedroht hätte.

Das schmeichelt den Türken, denen die finstere Darstellung ihres Umgangs mit ausländischen Drogenschmugglern in dem Film "Midnight Express" noch im Gedächtnis brennt. Doch so vernünftig und tapfer sich Andrea Rohloff auch hält, so deutlich hat sie doch das Ziel vor Augen: "Ich bin froh, wenn ich hier heil und gesund und fröhlich wieder rauskomme."

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