zum Hauptinhalt

Dürre in Ostafrika: Wassertanklaster sollen 2000 Haushalte versorgen

Nicht nur in Somalia, auch in Kenia, gleich neben dem Flüchtlingslager von Dadaab, herrscht katastrophale Dürre. Die Welthungerhilfe versucht verzweifelt, die Not zu lindern. Das Protokoll der Arbeitswoche eines deutschen Helfers.

Tatsächlich, es regnet. Suleyman Mohamed Hiyesa schaut hoch in den Himmel. Nieselregen fällt auf sein Gesicht, ganz kurz nur, dann ziehen die Wolken über das Dürregebiet hinweg, ohne ihren Segen im Dorf Chirifi abzuladen.

„Nichts als ein paar Tropfen im heißen Sand“, sagt der 30-Jährige und klettert hinab in seine Grube, an der er seit nun zwei Wochen gräbt. Tag für Tag tiefer, dem Grundwasser entgegen. Mühsam immer wieder etwas Wasser gewinnend. Fast zehn Meter tief ist das Loch seit gestern.

Nachts wacht er neben der Grube, damit kein anderer den Lohn seiner Arbeit abschöpft. Jetzt warten oben am Rand des Wasserlochs seine 18 Ziegen; sechs seiner Kühe verlor Suleyman bereits im April, den Rest hat sein Bruder von Chirifi zum Delta vom Tana- Fluss getrieben, zu Fuß, 100 Kilometer Richtung Küste.

Zur selben Zeit, es ist Dienstag, sitzt Rüdiger Ehrler auf der Terrasse vom Hotel Nomad in Garissa, der letzten kenianischen Stadt vor der somalischen Grenze und Dadaab: dem größten Flüchtlingscamp der Welt, mit 380 000 Menschen inzwischen drittgrößte „Stadt“ Kenias. Tag für Tag kommen hier mehr Somalier an, auf der Flucht vor der Dürre im eigenen Land.

Im Hof des Hotel Nomad parken die Geländewagen von UN, NGOs und Medien. Hier gibt es nicht nur klimatisierte Zimmer, sondern auch Internet: eine komfortable Bastion vor dem Camp von Dadaab, zu dem man jetzt nur noch im bewachten Konvoi kommt, angeblich, weil der Weg nicht sicher ist. Als nette Einnahmequelle für die kenianische Polizei bezeichnen manche internationale Helfer diese Maßnahme.

Der Mann vom Nothilfeteam der Welthungerhilfe hat andere Sorgen. Ehrler sucht in Garissa Unternehmer mit Wassertanklastern für Tana River – eine Region, zu der auch Chirifi gehört. Vor zehn Tagen kam er hier an, sondierte zunächst die Lage, identifizierte Dörfer für seine Nothilfemaßnahme. Wo ist die Not am größten? Und wie kann man am besten helfen? Mit Wasser. Das brauchen Menschen und Vieh am dringendsten.

Aber wie organisiert man als deutscher Nothelfer in Kenia ein System zur Wasserversorgung? Der Tagesspiegel begleitete Rüdiger Erler fünf Tage bei der Arbeit.

Wasser gibt es - nur nicht da, wo es am dringendsten gebraucht wird. Weiter auf Seite 2.

Einfach wäre es gewesen, sofort private Tankwagen anzuheuern, die ohnehin ständig am Ufer des Tana River Wasser aufnehmen, um jedenfalls die zahlungsfähige Landbevölkerung zu beliefern. Denn Wasser gibt es grundsätzlich – nur nicht da, wo man es jetzt am dringendsten braucht. Während entlang des Ufers volle Kanäle Felder mit Mais-Saatgut bewässern, darben nur ein paar Kilometer abseits Viehhirten wie Suleyman Mohamed Hiyesa.

Aber als Hilfsorganisation kann die Welthungerhilfe nicht einfach ungefiltertes Flusswasser ausgeben. „Was, wenn jemand krank wird und uns dafür verantwortlich macht?“, sagt Ehrler.

Also verhandelt er mit dem Wasserwerk von Garissa. „Wir können täglich 25 000 Kubikmeter Wasser aufbereiten“, verspricht Ali Tube, der dortige Manager. Das klingt gut. Aber wird das städtische Unternehmen am Ende auch wirklich liefern? Erler ist skeptisch, er kennt Afrika zu gut. Es ist nicht sein erster Nothilfeeinsatz.

Spätestens am Wochenende will er etwas Konkretes aufweisen. Zu Hause überschlagen sich die Medien mit Katastrophenmeldungen, konkurrieren Hilfsorganisationen um die Budgets von Bund und EU. Ehrler spürt den Druck. Aber er weiß auch: Noch verdurstet in Kenia niemand. Viele Menschen, vor allem im Nordosten, darben, aber bei der Hilfe es geht nicht um Tage, sondern vor allem darum, somalischen Verhältnissen vorzubeugen.

Dafür will der Mann der Welthungerhilfe Dörfer in einem Umkreis von 125 Kilometern versorgen. Mit Transportunternehmen aus der Region. Trucks aus Nairobi zu ordern, würde nur zu Unzufriedenheit bei lokalen Unternehmern führen. Aber auch in Garissa musste er seinen Bedarf öffentlich ausschreiben – also erst einmal Zettel an Tankstellen und Treffpunkten der Truckfahrer anbringen: Angebote zur Wasserverteilung in Tana River gesucht.

Bewerber müssen über fahrbereite und angemeldete Tankfahrzeuge mit Pumpe verfügen, so die Vorgaben. Das Angebot soll Kosten pro Liter Wasser und gefahrenem Kilometer enthalten. So funktioniert Rüdiger Ehrlers Kalkulationsmodell.

Suleyman und seine Frau sind zwei Kilometer vom Wasserloch zurück zu ihrer Hütte gelaufen. Die Ziegen sind für heute versorgt. Halima kocht Tee mit Ingwer und Ziegenmilch. Ihre fünf Kinder spielen im Staub. Erst vor wenigen Jahren wurden Suleyman und Halima hier sesshaft, weil es in Chirifi eine Schule gibt. Vorher lebten sie als Nomaden. Eine gute Zukunft hat Suleyman sich hier erhofft. Und dann blieb der Regen aus.

Bereits seit Jahren hilft die Welthungerhilfe Dorfgemeinschaften der Region Tana River beim Bau etwa von Regenwasserauffanganlagen. Doch wenn ganze Regenzeiten ausbleiben, nutzen auch die nichts. Dann muss man Wasser verteilen.

Jeder will hier Geld machen und verspricht gerne etwas, was er dann doch nicht halten kann. Weiter auf Seite 3.

Am Mittwoch gehen bei Rüdiger Ehrler neun schriftliche Bewerbungen ein. Die verschlossenen Umschläge werden von einem eigens gegründeten Komitee inklusive Protokollanten im Büro der Welthungerhilfe geöffnet und geprüft. Transparenz ist oberstes Prinzip. Der älteste Truck stammt aus den 60er Jahren. „Naja, wenn er fährt“, sagt Ehrler. Er hat in Afrika schon ältere Fahrzeuge gesehen. Bevor er einen Besitzer beauftragt, prüft er ohnehin jedes Fahrzeug. Gut, dass der 59-Jährige früher mal KFZ-Mechaniker war. Schlecht, dass sich das Wasserwerk nicht meldet.

Am Donnerstag unterzeichnet Ehrler den ersten Vertrag. Nicht mit dem billigsten Anbieter, aber einem, der über einen wirklich einsatzbereiten Tanklaster verfügt. Denn beworben haben sich auch Besitzer, deren Fahrzeuge gar nicht angemeldet waren. Andere verfügten über keine Pumpe. Jeder hier will Geld machen und verspricht gerne etwas, was er dann doch nicht halten kann.

Am nächsten Tag liefert ein Laster der Welthungerhilfe Tanks aus Nairobi an, Kunststoffbehälter, die ein paar tausend Liter Wasser fassen. Projektmitarbeiter besorgen Zement, Schubkarren und Schaufeln, um Fundamente für die Tanks zu bauen.

Ehrler leistet währenddessen in bar die Vorauszahlung beim Wasserwerk, mit dem er nun doch handelseinig geworden ist: ein Kubikmeter Wasser zu etwa zwei Euro 50, Lieferung rund um die Uhr.

Jetzt brauchen die Lkw-Fahrer nur noch Kopien des Vertrags mit dem Wasserwerk, auf dem das Kennzeichen vermerkt ist, damit ihre Fahrzeuge auch betankt werden. Bei der Auslieferung im Dorf soll dann jemand vom lokalen Wasserkomitee die Lieferung bestätigen, um sicherzustellen, dass der Truck sein Wasser nicht anderweitig verkauft. Außerdem hat Ehrler bereits einen Projektmitarbeiter bestellt, der mit einem Moped die Lieferungen prüfen wird.

Endlich scheint alles zu laufen, als der Fahrer des Welthungerhilfe-Lasters Ehrler am Handy erklärt, die Polizei habe den Lkw beschlagnahmt – wegen Falschparkens! „Da geht’s nur ums Geld“, ahnt der Mann aus Freiburg. Rüdiger Ehrler muss nun zur Polizeistation, um den Wagen auszulösen.

Samstag gegen acht Uhr laufen tatsächlich 10 000 Liter Trinkwasser in den ersten Truck. Zielort: Bultubanta, ein kleines Dorf 30 Kilometer westlich von Garissa. Noch während der Lkw dort das Wasser in den Tank hochpumpt, bildet sich eine Schlange von Frauen mit Kanistern.

Rüdiger Ehrler merkt man die Erleichterung an. Nun endlich fließt Wasser, kommt konkrete Hilfe an. Ehrler will sicherstellen, dass das bis zur nächsten Regenzeit in drei Monaten auch so bleibt, und falls diese ausfällt, auch länger.

„In der ersten Phase sollen 2000 Haushalte mit Wasser beliefert werden, später dann 5000“, erklärt er, während der Truck bereits zurück nach Garissa fährt, um erneut aufzutanken und dann das nächste Dorf zu beliefern. Pro Person plant die Welthungerhilfe in Tana River nun täglich zehn Liter Wasser auszuteilen – wesentlich mehr als die zwei Liter, die Hilfsorganisationen normalerweise kalkulieren. Zum Vergleich: Ein Deutscher verbraucht durchschnittlich 122 Liter am Tag.

Suleyman muss vorerst noch tiefer nach Wasser graben. Denn Chirifi steht nicht auf der Liste von Ehrler, noch nicht. Im Vergleich zu weiter nördlichen Regionen geht es Suleymann relativ gut. Solange er auf Grundwasser stößt, wird die Familie mit ihren Ziegen überleben.

Rüdiger Ehrler will am Mittwoch zurück nach Deutschland fliegen. Das Projekt wird ein lokaler Mitarbeiter der Welthungerhilfe weiterführen. Als der Autor, zurück in Nairobi, seinen Text schreiben will, gehen dort im Zentrum für über zwölf Stunden die Lichter aus – Kenia rationiert seine Stromversorgung durch das Wasserkraftwerk am Tana River. Die Dürre erreicht die Hauptstadt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false