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Update

Duisburg: Loveparade - die Gefahr war bekannt

Nach der tödlichen Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg mit 19 Toten hat die Staatsanwaltschaft offiziell die Ermittlungen aufgenommen. Zudem wird die Technoparade in Zukunft nicht mehr stattfinden. Menschen legen Blumen nieder.

Nach der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg mit 19 Toten und 342 Verletzten hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet. Sie hat Akten beschlagnahmt und geht zwei Anzeigen nach. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Warnungen vor möglichen Sicherheitsrisiken im Vorfeld der Techno-Veranstaltung ignoriert worden waren. Aus von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Unterlagen geht hervor, dass die Dortmunder Feuerwehr – dort fand die Parade vor zwei Jahren statt – vor Sicherheitsrisiken in Duisburg gewarnt hat.

Auch Panikforscher Michael Schreckenberg, der in die Planung der Loveparade einbezogen war, bekennt: „Wir haben gewarnt, aber wir hätten vielleicht stärker warnen müssen.“ Der Professor sagte, dass das Sicherheitskonzept keineswegs von 1,4 Millionen Menschen ausging, sondern von maximal 500 000 – verteilt über die Stadt. Der Tunnel, an dessen Rampe die meisten Menschen starben, habe aber nur eine Kapazität von 20 000 Menschen pro Stunde. Bis zu 250 000 Raver sollten durch diesen Tunnel auf das Gelände geschleust werden – und wieder runter. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die den Unglücksort am Sonntag besuchte, sagte dem Nachrichtensender n-tv: „Tatsache ist, es gab ein Nadelöhr.“ Möglicherweise sei vor allem das Sicherheitskonzept auf dem Veranstaltungsgelände nicht ausreichend gewesen, heißt es aus Kreisen der nordrhein-westfälischen Landsregierung. Auch Augenzeugen berichten von fehlenden Ausweichmöglichkeiten und mangelhafter Sicherheit. Bereits im Vorfeld hatten etliche Kommentatoren im Netz vor der Organisation und den Örtlichkeiten gewarnt.

Die Katastrophe wurde nach Angaben der Behörden gegen 17 Uhr dadurch ausgelöst, dass Besucher versuchten, an dem einzigen Zugang zum Gelände Absperrungen zu übersteigen, und dabei abstürzten. Die Opfer seien alle vor dem Tunnel aufgefunden worden, erklärte die Polizei. Vor dem Unglück sei noch ein zweiter Zugang geöffnet worden. Einige Besucher kehrten bereits vorher um. Besucher der Techno-Party hatten berichtet, durch einen überfüllten Tunnel zum Gelände gezwängt worden zu sein, wo es zu einer Panik gekommen sei. Unter den Todesopfern waren auch vier Raver aus den Niederlanden, Australien, Italien und China sowie zwei junge Spanierinnen. Aus welchen Regionen die deutschen Todesopfer kamen, war zunächst nicht klar. Eine Fortsetzung der 1989 in Berlin gegründeten Techno-Party wird es wohl nicht geben. Die Katastrophe von Duisburg bedeute das Aus der Loveparade, sagte ihr Organisator Rainer Schaller.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, machte in der „Bild“-Zeitung die Stadt Duisburg und die Veranstalter für die Tragödie verantwortlich. Wendt sagte, er habe schon vor einem Jahr gewarnt, Duisburg sei kein geeigneter Ort für die Loveparade. „Die Stadt ist zu klein und eng für derartige Veranstaltungen.“ Der Polizeigewerkschafter sieht das Problem nicht beim Festival-Gelände selbst, sondern bei den Wegen dorthin. Eine Schuld der Polizei sieht Wendt nicht. Die Verantwortlichen der Stadt Duisburg wiesen die Schuldvorwürfe zurück. Von einer Massenpanik habe keine Rede sein können. „Ich kann nicht bestätigen, dass es einen solchen Druck gab, dass es zu einem solchen Unglück kommen musste“, verteidigte der amtierende Duisburger Polizeichef Detlef von Schmeling das Sicherheitskonzept.

Nach einer auch von der Polizei verbreiteten Schätzung der Veranstalter waren am Samstag rund 1,4 Millionen Menschen in die Ruhrgebietsstadt gekommen – eine Zahl, die die Polizei am Sonntag nicht mehr bestätigen wollte. Die einzige von ihr genannte Zahl waren 105 000 mit der Bahn angereiste Besucher. Das Festgelände – der ehemalige Güterbahnhof – habe über 350 000 Menschen fassen können, sagte Duisburgs Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe. „Der Platz war zu keinem Zeitpunkt in dieser Weise gefüllt.“

„Die Frage nach dem Warum muss beantwortet werden“, sagte Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Es dürfe aber keine Vorverurteilungen geben. Die Stadt hatte am Samstag eine Notfallnummer eingerichtet, bei der sich Angehörige melden konnten. Sie bestätigte, dass von den bis Sonntagnachmittag gezählten rund 570 000 Anrufern nur 5400 Gespräche angenommen werden konnten.

Das Unglück löste im In- und Ausland große Bestürzung aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Christian Wulff und die NRW-Ministerpräsidentin Kraft äußerten sich entsetzt und sprachen ihr Mitgefühl aus. „Ich glaube, dass jetzt sehr intensiv untersucht werden muss, wie es dazu kam“, fügte Merkel hinzu. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Papst Benedikt XVI. äußerten sich erschüttert. „Unserem barmherzigen himmlischen Vater vertraue ich heute besonders die jungen Menschen an, die gestern in Duisburg auf tragische Weise ums Leben gekommen sind“, sagte der Papst am Sonntag beim Angelusgebet in Rom.

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