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Panorama: Dunkler Verdacht

Weil die Ursache nie von einer unabhängigen Kommission ermittelt wurde, gibt es viele Theorien

Kaum ein anderes Unglück hat zu dermaßen wilden Theorien geführt wie der Untergang der „Estonia“. Ausgelöst wurden die vielen Spekulationen nicht zuletzt dadurch, dass es bis heute keinen wirklichen Abschlussbericht zum Unglückshergang und zur Ursache gibt. Zudem hatte die Untersuchungskommission im Laufe der Ermittlungen in der Öffentlichkeit mehr und mehr an Vertrauen verloren. Angehörigengruppen hatten immer wieder gefordert, das Wrack zu heben, um die Unglücksursache zu finden und die Toten zu bergen. Die schwedische Regierung erklärte den Unglücksort jedoch zur Grabstätte.

Eines der ersten Gerüchte hatte seine Quellen in Moskau und bezog sich auf einen angeblichen Bericht des russischen Geheimdienstes. Danach sollen sich in der Unglücksnacht eine große Menge Drogen oder 40 Tonnen des Metalls Kobalt auf zwei Lastwagen an Bord befunden haben. Die russische Mafia, die hinter dem Transport gestanden habe, habe dann erfahren, dass der schwedische Zoll in Stockholm nach der Ankunft des Schiffes eine Razzia geplant habe. Daraufhin habe die Mafia dafür gesorgt, dass die Fracht versenkt wurde, nachdem das Schiff den Hafen von Tallinn in Estland verlassen hatte. Dafür sei auf hoher See die Bugklappe geöffnet worden und man habe einen der Lkw ins Meer fahren lassen. Danach sei es der Besatzung nicht gelungen, die Bugklappe wieder zu schließen, weil sich das Wetter verschlechterte. Dies sei der Grund für den Untergang gewesen. Die schwedische Schifffahrtsbehörde bezeichnete diese Theorie als abwegig, und der Zoll in Stockholm dementierte energisch, dass eine Razzia auf der „Estonia“ geplant gewesen sei.

Eine weiteres Gerücht besagt, dass mit der „Estonia“ aus Estland geheime russische Waffentechnologie an die USA geliefert werden sollte. Moskau sei es aber gelungen, den Transport zu stoppen. Diese Theorie erhielt zusätzlich Nahrung durch Angaben, dass sich im Rumpf unterhalb der Wasseroberfläche ein großes Loch befinde, dass in die Wand gesprengt worden sei. Dies habe die Katastrophe verursacht.

Spekuliert wurde auch, ein russischer Torpedo oder der Zusammenstoß mit einem russischen U-Boot sei Schuld am Untergang.

Die deutsche Journalistin Jutta Rabe produzierte sogar einen Film über den Untergang der „Estonia“, der im Herbst 2003 in die Kinos kam. Große Teile der Handlung von „Baltic Storm“ (mit Jürgen Prochnow, Greta Scacci und Donald Sutherland) beruhen auf Erlebnissen der Fernsehjournalistin und des Hinterbliebenen-Anwalts Henning Witte. Rabe hatte nach eigenen Aussagen versucht, auf der Basis von Fakten ein Puzzle zusammenzusetzen. Auch in ihrem Film geht es um den Schmuggel von High-Tech-Waffen. Rabe begann ihre Recherchen am Tag nach dem Untergang und wurde nach eigener Aussage mehrfach bedroht. In Schweden wurde gegen sie Haftbefehl wegen „Schändung des Grabfriedens“ erlassen, weil sie ein Tauchteam mit Filmaufnahmen am Wrack beauftragt hatte.

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