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Panorama: Durch den Wind

Hurrikan „Frances“ verwüstet Teile Floridas – die einen verharren in Angst, andere feiern Cocktail-Parties

Miami Der Hurrikan „Frances“ hat die Einwohner von Florida im wahrsten Sinne des Wortes zusammenrücken lassen. In den mehr als 200 Notunterkünften lagen die, die vor den Orkanwinden und sturzflutartigen Regenfällen geflohen waren und einen Platz bekamen, wie die Heringe nebeneinander. Wer eine Matratze ergatterte, hatte Glück. Viele mussten mit unbequemen Plastikstühlen als Schlafstätte vorlieb nehmen. Die Stimmung war angespannt, die Nerven lagen bei vielen Menschen blank, berichteten Reporter vor Ort.

„Hey, die da drüben haben unsere Decken gestohlen!“, rief eine Frau in einer Schule in Süd-Miami, und begann, den wertvollen Besitz wieder an sich zu reißen. Die beschuldigte Frau stand verstört auf und lief weinend davon.

Dort, wo es noch Strom gab, saßen die Menschen fassungslos vor den Bildschirmen und mussten mit ansehen, wie „Frances“ ihre Häuser in der Küstenregion mit gnadenloser Wucht schüttelte. Viele konnten es nicht abwarten, den Schaden so schnell wie möglich selbst in Augenschein zu nehmen. „Leute, bleibt geduldig“, beschwor Gouverneur Jeb Bush die Menschen. „Verlasst die Unterkünfte nicht, bevor ihr das O.K. bekommt. Euer Leben ist wichtiger als alle anderen Besitztümer.“ Das Rote Kreuz allein betreute mehr als 85000 Menschen in 233 Unterkünften. „Die Leute sind besorgt und fertig. Viele wissen nicht, ob sie noch ein Zuhause haben oder ob sie wieder von vorn anfangen müssen“, berichtete der Rotkreuzsprecher Michael Spencer.

Der „Miami Herald“ spürte ein junges deutsches Paar auf Hochzeitsreise in einer Notunterkunft in Overtown auf. Sascha und Manuela Rinsch tauschten die luxuriöse Hochzeitskabine auf einem Kreuzfahrtschiff mit einem Matratzenlager. Die Stimmung ließen sie sich nicht verderben. „Wir holen die Kreuzfahrt einfach nächstes Jahr nach“, zitierte die Zeitung den entspannten Ehemann.

Auch diejenigen, die bei Freunden Unterschlupf gefunden hatten, berichteten von erstaunlich wenig Stress. Die deutsche Touristin Nicola Plöger gab ihre Urlaubspläne auf und floh zu Freunden in ein Wohnhaus im Norden Miamis. „Unglaublich – hier herrscht Partystimmung“, berichtete sie am Sonntag. Die Wohnungen sind alle voll mit Einwohnern und Gästen, die aus den tiefer liegenden Gebieten Zuflucht gesucht hatten. „Wenn der Regen nachlässt, stehen die Leute mit Cocktails auf der Straße.“

„Frances“ ist am Sonntag mit seiner ganzen zerstörerischen Wucht über Florida hereingebrochen. Das Auge des Wirbelsturms bewegte sich quälend langsam über das Land, Orkanwinde und sturzflutartige Regenfälle zogen eine Schneise der Verwüstung. „Der Hurrikan erweist sich als die schlimmste und längste Naturkatastrophe in der Geschichte Floridas“, schrieb der „Miami Herald“. Das Ausmaß der Schäden konnten die Behörden am Sonntag nicht abschätzen, weil der Sturm noch tobte. Milliardenschäden galten als sicher. Auf den Bahamas hatte „Frances“ mindestens zwei Menschen das Leben gekostet.

In Florida schüttete es stundenlang wie aus Kübeln, während der Wind ohne Unterlass mit mehr als 160 Stundenkilometern über das Land wirbelte. Die Böden an der gesamten Ostküste waren schon am frühen Morgen völlig aufgeweicht, die meterhohen Palmen fanden keinen Halt mehr. Straßenlaternen bogen sich wie Grashalme im Wind. Ampeln wurden aus der Verankerung gerissen. Überall lagen heruntergerissene Stromkabel auf den Straßen. Die Behörden warnten die Einwohner vor einer frühen Rückkehr in ihre Häuser. Die Stromkabel seien lebensgefährlich. Zweieinhalb Millionen Menschen waren aufgerufen worden, sich in Sicherheit zu bringen. „Ich habe Dächer rumfliegen sehen, ganze Seitenverkleidungen von Gebäuden wurden abgerissen“, berichtete der Stadtverwalter von St. Lucie County im US-Fernsehen. In Lake Worth wurden im strömenden Regen 109 Menschen aus einem Seniorenwohnheim gerettet, weil das Dach abgedeckt worden war. Zwei Millionen Haushalte waren ohne Elektrizität. dpa

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