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© AFP

Ehepaar McCann: Warum Maddies Eltern Sympathien verloren haben

Ein halbes Jahr nach dem Verschwinden Madeleines scheinen die Eltern mit einer Welle der öffentlichen Abneigung konfrontiert zu sein. Ein Grund könnte die Tatsache sein, dass die Eltern ihre Kinder abends alleine ließen.

London/Lissabon - Hand in Hand gingen Gerry und Kate McCann am Samstag um 21 Uhr 30 in die kleine Kirche im englischen Rothley. Exakt zur selben Zeit sechs Monate zuvor hatte Kate McCann festgestellt, dass ihre damals dreijährige Tochter Madeleine aus einem Ferienappartement in Südportugal verschwunden war. Was wie eine Kindesentführung begann, wurde zum Medienphänomen mit einem verdächtigen Elternpaar als Hauptakteur. Doch trotz oder gerade wegen der weltweiten Aufmerksamkeit stecken die Ermittlungen in der Sackgasse.

Nach sechs Monaten der Spekulation, Trauer und Verzweiflung baten die Eltern erneut um Hilfe bei der Suche nach Madeleine. Das Ärztepaar demonstrierte Hoffnung, obwohl Kriminalexperten bereits davon ausgehen, dass das Mädchen tot ist. „Wir haben keine Ahnung, ob sie leidet, aber wir hoffen und beten, dass sie wie eine Prinzessin behandelt wird“, sagte der Vater.

Ein halbes Jahr nach dem Verschwinden Madeleines scheinen die Eltern mit einer Welle der öffentlichen Abneigung konfrontiert zu sein. Die diesjährige Gewinnerin des renommierten Booker-Preises, Anne Enright, hat in einem Essay für die „London Review of Books“ beschrieben, was die Gründe dafür sein könnten. Ein Grund könnte die Tatsache sein, dass die Eltern ihre Kinder abends alleine ließen. Dieser Umstand bewege viele Eltern, die ihre Kinder niemals unbeaufsichtigt lassen. Außerdem gebe es die Erwartung, dass die Eltern akzeptieren, dass ihre Tochter tot sein könnte. Dass sie trauern und aus der Öffentlichkeit verschwinden. Stattdessen rufen sie immer neue Kampagnen aus. Es hat dabei lange gedauert, bis sich die Mutter erstmals weinend zeigte. Und das tat sie erst, nachdem ihre fehlende Trauer kritisiert worden war. Ein weiterer Aspekt ist die audrücklich von Gerry McCann selbst formulierte Absicht, „Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen“. Gerry McCanns Sprache passe eher zu einem Manager eines Unternehmen, denn zu einem verzweifelten Vater, schreibt Anne Enright. Und weiter: „Die McCanns fühlen sich schuldig. Sie leugnen. Sie haben ihre Kinder alleine gelassen. Sie können nicht akzeptieren, dass ihre Tochter womöglich tot ist. Schuld und Verleugnung sind es, nach denen Gerry und Kate McCann riechen.“

Noch immer hat die Polizei offenbar keine heiße Spur. Zwar erklärte Portugals Kripo die Eltern Anfang September zu „Verdächtigen“. Doch dem Verdacht folgten bisher keine Beweise. Auch angebliche belastende Blutspuren und andere DNA-Reste, die eine Verwicklung der Eltern belegen sollten, lösten sich in Luft auf und konnten bisher in den Kriminallabors nicht bestätigt werden. Portugals Polizei steht mit leeren Händen da. Der neue Chef der Ermittler, der erfahrene portugiesische Kriminalkommissar Paulo Rebelo, ließ jüngst am mutmaßlichen Tatort nachstellen, wie eine mögliche Entführung abgelaufen sein könnte. Dies wurde als Hinweis darauf gewertet, dass die Polizei auch ein Kidnapping der Kleinen wieder in Betracht zieht. Rebelos Vorgänger war wegen Ermittlungspannen und einem fragwürdigen Arbeitsstil strafversetzt worden.

Portugals Polizeidirektor Alipio Ribeiro hatte bereits angedeutet, dass sich nach der Verdächtigung und öffentlichen Vorverurteilung von Madeleines Eltern wieder ein Kurswechsel bei den Ermittlungen anbahnen könnte. Es gebe „nichts Beweiskräftiges“ gegen die Eltern. Ganz offenbar bemühen sich Portugals Behörden zurückzurudern und sind dabei, den Fall neu aufzurollen. ze/dpa

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