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Ehrenmord-Prozess: Im Zweifel für den Angeklagten

Der Doppelmord im nordrhein-westfälischen Iserlohn-Letmathe wird möglicherweise nie gesühnt. Das Landgericht Hagen sprach den 38-jährigen Angeklagten aus Mangel an Beweisen frei.

Hagen - Dem türkischstämmigen Mann konnte im Prozess nicht nachgewiesen werden, dass er die frühere Lebensgefährtin seines Bruders sowie deren neuen Freund in der Silvesternacht auf offener Straße erschossen hatte. Eine Vertreterin der Nebenklage kündigte Revision an, Angehörige der beiden Getöteten waren erschüttert.

Der Vorsitzende Richter Horst Werner Herkenberg zeigte Verständnis dafür, dass die Angehörigen das Gefühl hätten, dass die Gerechtigkeit für "immer auf der Strecke" bleibt. Dennoch handele es sich bei dem Urteil um einen "Sieg für den Rechtsstaat", da das Prinzip "Im Zweifel für den Angeklagten" in der Rechtssprechung "unumstößlich" sei.

Indizien und Beweise reichten nicht aus

Die Staatsanwaltschaft blieb bei ihrer Einschätzung, dass als Motiv die Wiederherstellung der "Familienehre" anzunehmen sei. Da sich im Laufe der Verhandlung jedoch gezeigt hätte, dass die Indizien und die Beweislage für eine Verurteilung nicht ausreichten, hatte Staatsanwalt Bernd Maas auf Freispruch plädiert.

Der Richter unterstrich, alle Vermutungen sprächen dafür, dass der "Täter aus dem Kreis der Familie" kommt. Allerdings hätten die an der Kleidung des Angeklagten festgestellten Schmauchspuren nicht ausgereicht, um ihn als Schützen zu überführen. Da der 38-Jährige zudem im Prozess schwieg und die Zeugen keine verlässlichen Angaben machen konnten, sei dem Gericht keine andere Möglichkeit geblieben, als den Angeklagten frei zu sprechen.

Cousin eines der Opfer wurde schwer verletzt

Dem 38-Jährigen war vorgeworfen worden, in der Silvesternacht die ehemalige Freundin (32) seines Bruders und ihren neuen, 23 Jahre alten Freund mit gezielten Kopfschüssen getötet zu haben. Zuvor hatte er die Frau mit den Worten "Du Schlampe" beschimpft. Außerdem wurde der 18-jährige Cousin des 23-Jährigen angeschossen und schwer verletzt. Anschließend flüchtete der maskierte Täter in einem Auto, das der Familie des Angeklagten gehört.

Richter Herkenberg betonte, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Bruder des Angeklagten der Täter gewesen sei. So hatte der Mann seine ehemalige Freundin nach deren Trennung im August 2005 mehrfach bedroht und sich mit ihr um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn gestritten. Zudem war es zwischen den Familien bereits vor der Tat immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen.

"Bitter, dass die Tat nicht aufgeklärt ist"

Die Mutter des getöteten 23-Jährigen kämpfte nach der Verkündung des Urteils mit den Tränen. "Der Mord bleibt ungesühnt. Und zwei Kinder haben jetzt keinen Vater mehr", brachte sie noch hervor, bevor sie sich mit ihrem Anwalt zurückzog.

Staatsanwalt Maas räumte ein, es sei "bitter, dass die Tat nicht aufgeklärt ist". Allerdings habe er immer noch die Hoffnung, den Doppelmord eines Tages klären zu können. Schließlich könnten auch noch zu einem späteren Zeitpunkt belastende Aussagen gegen Mitglieder der Familie bekannt werden. Dann würde das Verfahren möglicherweise neu aufgerollt. (tso/ddp)

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