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Panorama: Ein einziger großer Maskenball

Stephanie Madoff Mack, Schwiegertochter des größten Betrügers aller Zeiten, beschreibt ihr Leben.

Drei Jahre ist es her, dass eine der meistbewunderten Legenden der Wall Street als deren größter Betrugsfall aller Zeiten aufflog. Bernard Madoff, von Familie und schwerreichen Kunden „Bernie“ genannt, verwaltete die Milliarden der amerikanischen High Society, versprach seinen Anlegern Traumrenditen. Die glaubten an ein glückliches Händchen und ahnten nicht, dass Madoff nicht mehr hatte als ein gewaltiges Schneeballsystem. Das teuerste Kartenhaus der Welt, das vor dem Hintergrund der Finanzkrise einstürzte.

Mehr als 13 000 Kunden verloren Geld, das sie einst Bernie Madoff gegeben hatten. Unter ihnen waren internationale Banken mit Milliarden-Einlagen, Prominente wie Steven Spielberg und Schauspieler Kevin Bacon, der Nobelpreisträger und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel, dazu Politiker, Stiftungen und viele mehr. Mindestens zwei Anleger, die bei Madoff ihr gesamtes Vermögen verloren, haben sich seither das Leben genommen: der Großinvestor René-Thierry Magon de la Villehuchet und William Foxton, ein hochdekorierter britischer Militär.

Ein dritter Selbstmord drehte die Scheinwerfer vor einem Jahr und beleuchtete eine andere Gruppe von Opfern: die Familie Madoff. Erst als sich Mark Madoff, Bernies ältester Sohn, in seinem Apartment erhängte, wurde der Öffentlichkeit klar, dass nicht nur fremde Anleger dem größten Betrüger in der amerikanischen Finanzgeschichte zum Opfer fielen, sondern auch nächste Verwandte. Die lebten jahrelang in Saus und Braus, wurden vom New Yorker Establishment verehrt und hatten im nächsten Moment nicht mehr als die Schande eines belasteten Namens. Den „meistgehassten Mann Amerikas“ nennt die Presse Bernie Madoff – damit kamen andere Madoffs nicht klar.

Stephanie Madoff Mack, zweite Ehefrau von Mark und Schwiegertochter von Bernie, hat nun ein Buch über ihr Leben in der Familie geschrieben. Das Magazin „People“ nennt das Buch „explosiv“, und das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ sieht es als den „besten Insider-Bericht über Madoffs Schneeballsystem“ und lobt die vielen persönlichen Details über ein Familienleben, das die Autorin als „einen einzigen, großen Maskenball“ beschreibt.

Einen Ball, bei dem sie Überraschungsgast war. Denn Stephanie, damals 27 und ein Mädchen in Jeans, stammte nicht aus dem New Yorker Geld-Adel, sondern aus normalen Verhältnissen, arbeitete als Assistentin in einer Modefirma. Dass man ihr Mark bei einem „Blind Date“ als „einen der reichsten Männer New Yorks“ vorstellte, habe sie damals nicht so sehr beeindruckt, erinnert sie sich. „Ich wollte eigentlich kein Society Girl sein.“

Genossen hat sie die Jahre des Reichtums dennoch. Die Villen, die Jachten und die Shopping-Trips. Einmal, so schreibt Stephanie Madoff Mack, habe Madoff die Kreditkarte auf den Tisch gelegt und der Verkäuferin mit Blick auf die Schwiegertochter gesagt: „Alles was sie anfasst, bekommt sie.“ Doch habe sich die menschliche Seite des Monsters nicht nur in Momenten finanzieller Großspurigkeit gezeigt. Hin und wieder habe Bernie seine Mittagspause genutzt, um den Enkeln ein Babyfläschchen zu geben. Dass alles nur eine Maske war, habe sie nicht geahnt, ebenso wenig wie der Rest der Familie.

Das hat auch juristisch Bestand. Weder Madoffs Frau Ruth noch den Söhnen Mark und Andrew wirft die amerikanische Staatsanwaltschaft Mitwisserschaft vor. Dennoch sind sie zu einer problematischen Rolle verdammt: Sie sind Opfer, die sich nicht beschweren dürfen. Opfer, die von der Öffentlichkeit in Mittäterschaft genommen werden, denn „sie lebten ein Leben, das ihnen nicht zustand“, wie ein früherer Madoff-Anleger kritisierte.

Stephanie Madoff Mack lebt streng genommen zwei Leben, die sie nicht verdient. Eines mit den erschwindelten Milliarden ihres Schwiegervaters, das vor drei Jahren zu Ende ging. Und seither eines als Opfer, als Witwe und alleinerziehende Mutter, die von traumatischen Erinnerungen verfolgt wird. Vor ein paar Wochen ist sie umgezogen. In dem Apartment, in dem sich ihr Mann erhängte, konnte sie nicht mehr leben. Von den Millionen, die ihr Mann und sein Bruder Andrew mit dem unabhängigen Brokergeschäft der Madoff-Firma verdienten, sieht sie seit Jahren nichts mehr. Das Geld ist eingefroren, die Staatsanwaltschaft will es den betrogenen Anlegern zukommen lassen, an die schon Ruth Madoffs gesamtes Vermögen ging.

Der Frau des Verbrechers bleibt indes ein Trost: Stephanie Madoff Mack hält ihr die Tür zu den Enkelkindern offen – ein Vergnügen, das Bernie Madoff nicht bekommt. Der Mann, der bis an sein Lebensende mit der Häftlingsnummer 51727-054 im Staatsgefängnis von Buttner, North Carolina, sitzen wird, soll die Kinder nie wieder sehen.

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