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"Ist das alles?" steht unter der Gedenktafel für die Opfer der Katastrophe im vergangenen Jahr. Die Duisburger sind vor allem verärgert über ihren Bürgermeister, der sich ihrer Meinung nach seiner Verantwortung entzieht.

© dpa

Ein Jahr nach der Loveparade-Katastrophe: Sauerland ist zur Trauerfeier unerwünscht

Duisburg bereitet sich auf den Jahrestag der Loveparade-Katastrophe vor – ohne den Oberbürgermeister Adolf Sauerland.

Fast zwölf Monate liegt sie nun zurück, doch die Duisburger Loveparade-Katastrophe, bei der 21 Menschen starben und über 500 verletzt wurden, bestimmt die Gefühle der Menschen wie kein anderes Ereignis. Große Wellen schlug deshalb eine Äußerung des Oberbürgermeisters Adolf Sauerland (CDU). In einer Dokumentation des WDR, aus der das „Zeit“-Magazin vorab berichtete, gestand er erstmals eigene Fehler ein: „Die Übernahme moralischer Verantwortung, sich bei Angehörigen der Opfer zu entschuldigen“, das hätte von ihm kommen müssen, sagte er. Es tue ihm unendlich leid, dass er dies nicht sofort getan habe.

Sauerland war nach der Loveparade heftig kritisiert worden, weil er als Leiter der genehmigenden Behörde und als Stadtoberhaupt keinerlei Verantwortung übernommen hatte. Er hatte noch nicht einmal den Versuch unternommen, sich der Öffentlichkeit zu stellen und angemessene Worte für das furchtbare Unglück zu finden. Er tauchte einfach ab. Einen Rücktritt und eine Entschuldigung bei den Opfern lehnte er ab. Er habe Angst gehabt, auch juristisch für alles verantwortlich gemacht zu werden, wenn er sich entschuldige, versuchte Sauerland sein Verhalten zu erklären, das heftige Empörung ausgelöst hatte. Aus Sicht seiner Kritiker können diese neuesten Äußerungen nicht befriedigen. Ausdrücklich entschuldigt hat sich der Oberbürgermeister auch jetzt nicht. Die einfachen Worte „Ich entschuldige mich“, brachte Sauerland in dem WDR-Interview auch auf Nachfrage nicht heraus. Er sagt nur, es tue ihm unendlich leid, dass er sich damals nicht entschuldigt habe. So hat er auch jetzt nicht die richtigen Worte gefunden, um zu den Opfern zu sprechen. Und so wird Adolf Sauerland auch am Jahrestag der Massenpanik eine unerwünschte Person in seiner eigenen Stadt sein: Der Oberbürgermeister wird nicht an den Trauerfeierlichkeiten teilnehmen, darum haben die Angehörigen gebeten. Stattdessen haben die Regierung von Nordrhein-Westfalen und die evangelische Landeskirche die zentrale Gedenkveranstaltung organisiert, die am Sonntag, den 24. Juli im Duisburger Fußballstadion „MSV-Arena“ stattfinden wird.

Währenddessen sammelt die Duisburger Bürgerinitiative „Neuanfang für Duisburg“ seit dem 20. Juni erneut Stimmen für eine Abwahl ihres Oberbürgermeisters. Ein erster Anlauf dazu war im vergangenen September gescheitert. Diesmal sind neun Tage nach Start der Aktion 10 000 der nötigen 55 000 Unterschriften zusammengekommen. „Es geht uns dabei nicht um Schuld, sondern um die moralische Verantwortung“, sagt Mitinitiator Werner Hüsken, „und die trägt das Stadtoberhaupt“. Kritik an Sauerland kam auch von der Kirche: „Dieses Verhalten hat nicht nur die politische Kultur in Duisburg beschädigt, es schmerzt vor allem die Angehörigen der Opfer, die Verletzten und Traumatisierten“, schreibt der Superintendent des Kirchenkreises Duisburg, Armin Schneider, in einem Beitrag für das Magazin „chrismon plus Rheinland“.

Auch die juristische Aufarbeitung der Katastrophe dauert noch an. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben sich zu einem Mammutverfahren mit über 3000 verhörten Zeugen und mehreren hundert Aktenordnern voller Unterlagen ausgewachsen. Im Visier stehen ein Polizist, vier Mitarbeiter des Veranstalters und elf Bedienstete der Duisburger Stadtverwaltung, gegen die sich der Anfangsverdacht wegen fahrlässiger Tötung bestätigt hat. In einem Bericht über den Zwischenstand der Ermittlungen heißt es, dass ein rechtzeitiges Eingreifen die Massenpanik „noch verhindern – jedenfalls aber entscheidend hätte eindämmen können“. Doch endgültige Ergebnisse wird die Staatsanwaltschaft wohl erst in Monaten vorlegen können.

In Duisburg wollen viele davon gar nichts mehr wissen. Bei Ihnen steht so kurz vor dem Jahrestag die Trauer im Vordergrund. Vor knapp zwei Wochen versammelten sich mehr als 200 Angehörige und Anwohner bei der Einweihung eines Mahnmals des Duisburger Künstlers Gerhard Losemann für die Opfer – finanziert haben es nicht die Stadt, sondern private Spender.

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